38 Schritte gegen Antisemiten
Die Regierung hat eine Strategie gegen Antisemitismus vorgelegt. Die Zahl der Übergriffe steigt, die Pandemie bringt auch alte Feindbilder.
Es ist ein untypisches Papier, das die türkis-grüne Bundesregierung gestern, Donnerstag, gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) präsentiert hat. Die neue „nationale Strategie gegen Antisemitismus“hat nicht das eine große Leuchtturmprojekt,
das seinen Weg in alle Schlagzeilen finden würde, keine eine Maßnahme, die man groß verkaufen könnte. Nein, sie beschreibt Dutzende kleiner Schrauben, an denen in Österreich in den kommenden Jahren gedreht werden soll.
„Intensivierung des Austauschs von Extremismus-Beratungsstellen“ist so ein Punkt, „Ausweitung der Bildungsangebote für Pädagogen“, „Evaluierung von Straftatbeständen“oder „Monitoring der innerstaatlichen Datenlage“zu Antisemitismus. 38 Maßnahmen umfasst die Strategie, grob eingeteilt in die sechs Säulen Bildung/Forschung, Sicherheit jüdischer Einrichtungen, Strafverfolgung, Integration, Dokumentation und Gesamtgesellschaft.
eine Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, „egal, ob er von links kommt oder von rechts kommt, egal, ob er importierter Antisemitismus ist oder autochthoner“, so Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Die Strategie müsse sich in allen Gesellschaftsbereichen und Kommunikationsplattformen niederschlagen, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) – von Chatgruppen bis zu den Stammtischen.
Erfreut über den Vorstoß zeigte sich IKG-Präsident Oskar Deutsch. Er machte klar, dass es sich bei Juden nicht um eine homogene Gruppe handle. „Gerade die Vielfältigkeit zeichnet das Judentum aus.“Jeder Angriff sei somit ein Angriff auf die vielfältige demokratische Gesellschaft. Und: „Juden sind immer nur die ersten unmittelbar Betroffenen.“Der Kampf gegen Antisemitismus sei auch keine primäre Aufgabe der jüdischen Gemeinde, sondern eine gesamtstaatliche.
Die Meldestelle der IKG für antisemitische Vorfälle verzeichnet seit Jahren eine Zunahme solcher Übergriffe auf Juden bzw. jüdische Einrichtungen. In den vergangenen Monaten haben zudem im Rahmen der Proteste gegen Covid-19-Maßnahmen
Verschwörungserzählungen weiter um sich gegriffen, die „alte Feindbilder und antisemitische Stereotype transportieren“, heißt es in dem Strategiepapier.
Neben Vertretern der ÖVP und der Grünen konnte auch die Opposition der Antisemitismus-Strategie Positives abgewinnen. So sah Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, darin ein „ambitioniertes Projekt“, das rasch umgesetzt werden müsse. Für Stephanie Krisper (Neos) ist es auch notwendig, „Hausaufgaben im Sicherheitsapparat“zu erledigen. So sei ein funktionierender Verfassungsschutz Voraussetzung.