Kleine Zeitung Kaernten

Grandiose Geisterpre­miere

Massenets „Thaïs“gelingt fulminant, leider bekommt die Produktion regulär noch niemand zu sehen.

- Regisseur Peter Konwitschn­y (75) Martin Gasser

Mit Jules Massenets „Thaïs“hat das Theater an der Wien einen Trumpf im Talon. Kein Wunder, dass das Haus Wege gesucht hat, die Rarität trotz Corona zeigen zu können. Nun hat man die Aufführung fürs Fernsehen aufzeichne­n lassen. Stechen soll der Trumpf später:

Über eine ORF-Übertragun­g wird verhandelt, live wird man sich wohl bis Frühsommer gedulden müssen.

So war es eine Geisterpre­miere, die nun für Kameras und eine Handvoll Journalist­en stattfand. Regisseur Peter Konwitschn­y gelingt eine Ehrenrettu­ng fürs schwülstig­e Fin-deSiècle-Drama. Er entfernt den orientalis­chen Pomp aus dem Stück um eine Luxusprost­ituierte, die von einem Klosterbru­der auf den Pfad der Tugend gebracht wird. Die Bühne ist fast leer, das obligatori­sche Ballett ebenso gestrichen wie ganze Szenen. Alles fokussiert sich auf das ideologisc­he und emotionale Duell zwischen Thaïs und dem Mönch Athanaël. Steht die Frau für ein oberflächl­iches, dem Luxus huldigende­s Upper-ClassElend, vertritt der Mann religiöse Weltabkehr. Der Moralist Konwitschn­y misstraut beiden Sphären, und zeigt mit einem Kostümknif­f, dass die scheinbar konträren Welten miteinande­r verwandt sind: Alle Figuren tragen Engelsflüg­el. Für den Regisseur kein positives Bild, sondern Symbol für die geschlosse­nen Gesellscha­ften, die sich hier gegenübert­reten. Mit dem Verlust der Flügel beginnt eine leidvolle Menschwerd­ung. Aber Konwitschn­y, der ewige Optimist wider Willen, lässt auch Momente der Hoffnung auf Erlösung zu.

Dirigent Leo Hussain zaubert mit dem fabelhafte­n RSO Wien französisc­he Atmosphäre in den Raum. Da wirkt nichts bombastisc­h, sondern farbig-poetisch, da ist alles kraftvoll, nicht kraftmeier­isch. Fantastisc­h die Antagonist­en: Josef Wagner mit opulentem, sinnlichem Bassbarito­n und Nicole Chevalier mit warmen Farben und glänzenden Höhen.

Im Radio: 20. Februar, 19.30 Uhr, Ö 1

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