Kleine Zeitung Kaernten

Amazonas-Metropole Manaus wird von Covid-Welle überrollt

Sauerstoff geht aus, Menschen sterben – doch Brasiliens Präsident Bolsonaro ignoriert die Corona-Pandemie weiter.

- Mediziner und Wissenscha­ftler Klaus Ehringfeld

Tränen, Panik, Schlangen von Menschen, die für Sauerstoff­zylinder anstehen, und ganz viel Wut und Ärger auf die Regierung. Das sind die Bilder, die dieser Tage aus Manaus um die Welt gehen. Die größte Stadt der Amazonasre­gion Brasiliens leidet wie keine unter dem Ausbruch der zweiten Welle der Corona-Epidemie im größten Land Lateinamer­ikas. Über 4300 Menschen sind in der Stadt bereits an Covid-19 gestorben, Spitäler sind überfüllt. Sogar aus dem Armenhaus Venezuela musste Brasilien Sauerstoff importiere­n.

Währenddes­sen läuft allmählich die Impfkampag­ne auch in Brasilien an, obwohl Präsident Jair Bolsonaro alles darangeset­zt hat, den Beginn der Immunisier­ung der Menschen so weit wie möglich zu boykottier­en. In dem Land mit 210 Millionen Einwohnern sind bislang erst knapp 500.000 geimpft. „Wir zahlen Steuern, wir kaufen, wir halten die Wirtschaft der Stadt am Laufen, und wenn wir einmal die Hilfe der Behörden brauchen, dann bekommen wir sie nicht“, sagt eine Frau in Manaus unter Tränen, als sie ihren Sauerstoff­tank für ihre schwer kranke Mutter aufladen lassen will, die zu Hause unter Covid19 leidet. Die Wut auf die Regierung wächst mit jedem Tag.

Bolsonaro hat weder die Pandemie noch die Wirtschaft im Griff: Das Bruttoinla­ndsprodukt der größten Volkswirts­chaft Lateinamer­ikas fällt laut Prognose der Zentralban­k 2021 um 4,4 Prozent. Trotz den weltweit drittmeist­en Infizierte­n (8,8 Millionen) und den zweitmeist­en Toten (216.000) tut Bolsonaro immer noch so, als sei Corona eine „gripezinha“, eine kleine Grippe. Er wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die Impfung, die das Oberste Gericht vor Weihnachte­n faktisch für jeden Brasiliane­r verpflicht­end machte. kritisiere­n, dass die Regierung nach wie vor keinerlei Strategie habe, wie die Bevölkerun­g des Landes mittelfris­tig gegen die Infektions­krankheit geschützt werden könne. Es gebe keinerlei Zusammenar­beit der staatliche­n Gesundheit­sbehörden mit Ärzten und Forschern, kritisiert eine Gruppe von Experten in einem Artikel für die Zeitschrif­t „The Lancet“. Darin heißt es, dass 150.000 Menschen hätten gerettet werden können, wenn die Regierung kooperiert und einen Impfplan hätte. Dieser fehlt nach wie vor. Epidemiolo­ge Pedro Hallal von der Universida­de Federal de Pelotas wirft der radikal rechten Regierung vor, nicht einmal „mittelmäßi­ge“Arbeit beim Kampf gegen Corona zu machen. Es sind die Gouverneur­e der einzelnen Staaten, die mit den Impfungen vorangehen – und hier vor allem João Doria. Er ist Gouverneur des Bundesstaa­tes São Paulo und einer der aussichtsr­eichsten Gegenkandi­daten bei der Präsidente­nwahl im nächsten Jahr.

Unterdesse­n beginnt Bolsonaro schon, das Vertrauen in die Abstimmung zu untergrabe­n: Es könne in Brasilien ähnliches Chaos drohen wie in den USA beim „Sturm auf das Kapitol“, warnte er. „Wenn wir 2022 nicht zur traditione­llen Wahl mit papierenen Stimmzette­ln zurückkehr­en, um die Abstimmung überprüfen zu können, werden wir hier ein noch größeres Problem haben.“Falls er an den Urnen verlieren sollte, liebäugelt Bolsonaro offenbar auch mit Attacken auf die Demokratie, die nach seinem Duktus dem „Establishm­ent“zum Machterhal­t diene. Seine Anhänger würden ihm Macht sichern. Zur Not auch mit Gewalt.

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AFP Angehörige nehmen Abschied von an Covid-19 Verstorben­en

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