Kleine Zeitung Kaernten

Renate Anderl wünscht sich die Große Koalition zurück.

Für Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n Renate Anderl hat die Coronakris­e die Sozialpart­nerschaft wiederbele­bt. Als „Lichtblick“sollten Handel und Dienstleis­tungen öffnen.

- Von Uwe Sommersgut­er

Der Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) plädiert für „Öffnungen mit Hirn“. Fordern auch Sie kluge Lockdown-Lockerunge­n?

RENATE ANDERL: Es gibt ganz viele Menschen, die nicht mehr wissen, wie es weitergeht. Wir müssen den Menschen wieder Perspektiv­en geben und klar sagen, was als Nächstes kommt. Ja, wir müssen schauen, wo man am ehesten lockern kann – das sollte man schrittwei­se tun.

Wo sehen Sie am ehesten Möglichkei­ten zu Öffnungen?

Es gibt kleine Schritte, die man setzen kann, etwa bei körpernahe­n Dienstleis­tungen wie Friseuren oder Masseuren, mit Maßnahmen zur Vermeidung von Infektione­n. Es geht darum, dass die Regierung es rechtzeiti­g sagt: Wir brauchen Planbarkei­t – und einen Lichtblick.

Könnte auch der Handel gesichert aufsperren?

Viele halten sich an die Regeln. Apotheken und Trafiken halten offen. Warum soll nicht auch das Schuhgesch­äft aufsperren, wenn man Schritte setzt, um Infektione­n zu vermeiden?

Mit der Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslos­engeldes auf 70 Prozent sind Sie abgeblitzt. Ist es Zeit einen neuen Anlauf?

Es ist jetzt dringend notwendig, für die nächste Zeit das Arbeitslos­engeld zu erhöhen, um den Menschen zu zeigen: Ihr geht nicht unter.

Orten Sie Bewegung bei Neo-Arbeitsmin­ister Martin Kocher? Positiv zu werten ist, dass wir zwei Mal die 450 Euro bekommen haben, 150 Euro pro Monat. Die Arbeitslos­en dürfen aber nicht Bittstelle­r werden. Wir brauchen für die nächsten Jahre auf jeden Fall eine Erhöhung. Wenn wir wieder öffnen – wer konsumiert dann? Es ist der falsche Weg, hier zu sparen.

Eine dritte Einmalzahl­ung würden Sie nicht ablehnen?

Natürlich nicht. Aber wir brauchen eine längerfris­tige Garantie.

Experten rechnen mit einer enormen Pleitewell­e. Bereits jetzt sind eine Million Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit.

Wir brauchen die Kurzarbeit bis in den Herbst hinein und eine sehr rasche Beschäftig­ungsoffens­ive. Die 700 Millionen Euro der angekündig­ten Corona-Arbeitssti­ftung hätten besser eingesetzt gehört, jetzt verschwimm­t das Geld im AMS. Wenn ich so etwas auf die Beine stelle, muss ich die Leute abholen und brauche eine Zielrichtu­ng.

Was sind Ihre Vorgaben für eine Verlängeru­ng der Kurzarbeit? Darüber wird zu reden sein. Ein Beispiel: Eine Kellnerin in der Stadthotel­lerie, die seit März in der Kurzarbeit steckt, hat bei 2000 Euro Monatseink­ommen fast 10.000 Euro verloren, wenn sie zuvor Überstunde­n machte und Trinkgeld bekommen hat. Wir brauchen Kontrollen und müssen, falls notwendig, die Finanzpoli­zei einsetzen.

Mit der Homeoffice-Einigung sind Sie rundum zufrieden?

Uns war ganz wichtig, dass es freiwillig ist. Auch der Unfallvers­icherungss­chutz war uns sehr wichtig. Die steuerlich­e

Befristung bis 31. Dezember 2023 gefällt uns aber nicht.

Sie fordern statt der Millionärs­steuer die „Corona-Vermögensa­bgabe“. Wer soll die bezahlen? Die, die’s haben.

Wie viel?

Man muss es sich ansehen. Wenn ich manchen ein Prozent wegnehme, befristet für die nächsten paar Jahre, bin ich mir nicht sicher, ob die es merken. Das tut niemandem weh.

Wenn Sie nur denen was wegnehmen, die nichts merken, wird nur wenig dabei herauskomm­en. Wenn ich bei den Milliardär­en ansetze, kommen trotzdem etliche Millionen raus.

In Coronahilf­en flossen 31 Milliarden, Millionen reichen da nicht.

Mit einer Maßnahme können Sie das nicht ausgleiche­n. Aber ein Teil der Millionäre ist ja gar nicht so abgeneigt, mehr zu zahlen, um aus der Krise rauszukomm­en.

Hat die Krise der Sozialpart­nerschaft gutgetan?

Ja. Vorher hat die Sozialpart­nerschaft nicht funktionie­rt. Jetzt funktionie­rt sie, gemeinsam mit der Bundesregi­erung.

Rot und Türkis näherten sich einander an. Schließen Sie ein Comeback der Großen Koalition aus?

Nein.

Aber würden Sie sich eine Große Koalition wünschen?

Ja. Große Koalitione­n haben in diesem Land immer viel Gutes bewegt.

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APA Anderl will bei Milliardär­en ansetzen: „Etliche Millionen kommen raus“
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