Baustelle Asylsystem
Die Abschiebung von drei Schülerinnen offenbart einmal mehr den Reformbedarf und die Emotionalität, mit der über Asylrecht debattiert wird. Beides muss sich ändern.
Die Aufregung in den sozialen Netzwerken ist groß. Trotz Protestaktion wurden in der Nacht auf Donnerstag drei in Österreich aufgewachsene Schülerinnen und ihre Angehörigen nach Georgien und Armenien abgeschoben. Laut Innenministerium war aufgrund mehrerer höchstgerichtlicher Bescheide eine „Außerlandesbringung“, wie man Abschiebungen dort nennt, durchzuführen. Dass es für ebendiese Durchführung eine Beamtendichte wie bei einem Anti-Terror-Einsatz gebraucht hat, wird Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) noch erklären müssen.
Dass ein Verfahren ein Schülerleben lang dauern kann, überrascht unter Kennern des heimischen Asylsystems die wenigsten. Weil sie über Menschenleben entscheiden müssen, mahlen die Mühlen des Asyl-Instanzenzugs langsam und möglichst gründlich. Das spricht für die Qualität ihrer Arbeit. Eingelegte Rechtsmittel der Betroffenen tragen ihr Übriges zu ausufernder Bearbeitungsdauer bei, ebenso wie unterbesetzte Sachbearbeiterbüros. Doch die legistische Sub
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stanz, auf der hier gearbeitet wird, ist seit Jahren brüchig und sanierungsbedürftig. Selbst Experten und auf die Materie spezialisierte Rechtsanwälte bezeichnen das heimische Asylrecht inzwischen als unlesbar und kaum zu vollziehen. Unzählige Novellen haben verwässert und verzerrt, zuletzt aber vor allem verschärft.
Dass man mit Asylrecht Politik machen und Wahlen gewinnen kann, weiß und beweist vor allem die ÖVP seit Jahren. Immer wieder wird eifrig an legistischen Schräubchen gedreht, um dem Volk zu signalisieren, dass das System all jenen Schutz verwehren kann, die ihn nicht verdient haben. Vom rechten bis zum linken Polit-Spektrum wird hochemotional über Wirtschaftsmigranten und kriminelle Einwanderer einerseits und schreckliche Schicksale und fehlende Hilfe für im Dreck lebende Kinder andererseits diskutiert.
Dabei braucht eine so komplexe Rechtsmaterie genau das Gegenteil – eine sachlich geführte Debatte darüber, wie eine dringend notwendige, umfassende Reform des Asylrechts aussehen könnte. Denn das Unterfangen wäre alles andere als einfach. Bindende Menschenrechtsvorgaben, fehlende Migrationsund Verteilungsstrategien auf EU-Ebene sowie ideologische Motivationen würden dazu führen, dass um jeden Punkt und Beistrich eines neuen Gesetzestextes gerungen werden müsste. Zudem wäre es für ein so großes Unterfangen notwendig, über die eigene Legislaturperiode hinauszudenken. Bekanntlich keine einfache Aufgabe für Regierende. ass sich der Aufwand lohnen würde, zeigt der Ausblick darauf, was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher. Novelle wird auf Novelle gestapelt, Schlupflöcher entstehen, die Verunsicherung bei den Prüfern steigt. Und damit die Dauer der Verfahren, in der Betroffene dank beschränkter Arbeitserlaubnis auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Und mit dieser Aussicht gewinnt man wahrlich keine Wahlen.
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