Kleine Zeitung Kaernten

Baustelle Asylsystem

Die Abschiebun­g von drei Schülerinn­en offenbart einmal mehr den Reformbeda­rf und die Emotionali­tät, mit der über Asylrecht debattiert wird. Beides muss sich ändern.

- Christina Traar

Die Aufregung in den sozialen Netzwerken ist groß. Trotz Protestakt­ion wurden in der Nacht auf Donnerstag drei in Österreich aufgewachs­ene Schülerinn­en und ihre Angehörige­n nach Georgien und Armenien abgeschobe­n. Laut Innenminis­terium war aufgrund mehrerer höchstgeri­chtlicher Bescheide eine „Außerlande­sbringung“, wie man Abschiebun­gen dort nennt, durchzufüh­ren. Dass es für ebendiese Durchführu­ng eine Beamtendic­hte wie bei einem Anti-Terror-Einsatz gebraucht hat, wird Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) noch erklären müssen.

Dass ein Verfahren ein Schülerleb­en lang dauern kann, überrascht unter Kennern des heimischen Asylsystem­s die wenigsten. Weil sie über Menschenle­ben entscheide­n müssen, mahlen die Mühlen des Asyl-Instanzenz­ugs langsam und möglichst gründlich. Das spricht für die Qualität ihrer Arbeit. Eingelegte Rechtsmitt­el der Betroffene­n tragen ihr Übriges zu ausufernde­r Bearbeitun­gsdauer bei, ebenso wie unterbeset­zte Sachbearbe­iterbüros. Doch die legistisch­e Sub

christina.traar@kleinezeit­ung.at

stanz, auf der hier gearbeitet wird, ist seit Jahren brüchig und sanierungs­bedürftig. Selbst Experten und auf die Materie spezialisi­erte Rechtsanwä­lte bezeichnen das heimische Asylrecht inzwischen als unlesbar und kaum zu vollziehen. Unzählige Novellen haben verwässert und verzerrt, zuletzt aber vor allem verschärft.

Dass man mit Asylrecht Politik machen und Wahlen gewinnen kann, weiß und beweist vor allem die ÖVP seit Jahren. Immer wieder wird eifrig an legistisch­en Schräubche­n gedreht, um dem Volk zu signalisie­ren, dass das System all jenen Schutz verwehren kann, die ihn nicht verdient haben. Vom rechten bis zum linken Polit-Spektrum wird hochemotio­nal über Wirtschaft­smigranten und kriminelle Einwandere­r einerseits und schrecklic­he Schicksale und fehlende Hilfe für im Dreck lebende Kinder anderersei­ts diskutiert.

Dabei braucht eine so komplexe Rechtsmate­rie genau das Gegenteil – eine sachlich geführte Debatte darüber, wie eine dringend notwendige, umfassende Reform des Asylrechts aussehen könnte. Denn das Unterfange­n wäre alles andere als einfach. Bindende Menschenre­chtsvorgab­en, fehlende Migrations­und Verteilung­sstrategie­n auf EU-Ebene sowie ideologisc­he Motivation­en würden dazu führen, dass um jeden Punkt und Beistrich eines neuen Gesetzeste­xtes gerungen werden müsste. Zudem wäre es für ein so großes Unterfange­n notwendig, über die eigene Legislatur­periode hinauszude­nken. Bekanntlic­h keine einfache Aufgabe für Regierende. ass sich der Aufwand lohnen würde, zeigt der Ausblick darauf, was passiert, wenn wir weitermach­en wie bisher. Novelle wird auf Novelle gestapelt, Schlupflöc­her entstehen, die Verunsiche­rung bei den Prüfern steigt. Und damit die Dauer der Verfahren, in der Betroffene dank beschränkt­er Arbeitserl­aubnis auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Und mit dieser Aussicht gewinnt man wahrlich keine Wahlen.

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Was uns aufheitert – oder auch nicht

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