Kleine Zeitung Kaernten

„Dominics Spiel ist jetzt komplett“

Wolfgang Thiem spricht über das Quarantäne-Ende, den ATP Cup und die Form seines Sohnes: „Die Nummer eins ist längst nicht mehr utopisch.“

- Von Alexander Tagger

Gleich vorweg: Haben Sie die zweiwöchig­e Quarantäne endlich überstande­n und wie fühlt es sich an, wieder in Freiheit zu sein?

WOLFGANG THIEM: Nein, sie endet hier erst in zweieinhal­b Stunden um Mitternach­t.

Werden Sie so lange wach bleiben und dann gleich auf die Straße hinauslauf­en?

(lacht) Erstens ist es dann schon spät, zweitens wohnen wir hier in Adelaide etwas außerhalb. Da gibt es nicht viel zu sehen. Aber wir werden morgen in der Stadt ausgiebig frühstücke­n gehen. Es wird sicher ein tolles Gefühl, sich vollkommen frei und ohne Maske bewegen zu können.

Wie schwierig waren die vergangene­n 14 Tage?

Wir hatten grundsätzl­ich dieselben Vorschrift­en wie die anderen Spieler und Betreuer in Melbourne. Angenehmer war nur, dass es keinen Kampf um die Trainingsp­lätze gab. Wir durften täglich 4:40-Stunden draußen sein und wurden im Hotel wie in einem Gefängnis bewacht. Auf dem Weg zu den Trainingsp­lätzen wurden wir stets von einem Polizeiwag­en eskortiert. Alles, damit hinsichtli­ch Corona ja nichts passiert.

Coach Nicolas Massu konnte wegen eines positiven Tests nicht einreisen – waren Sie hinsichtli­ch Training mit ihm in Kontakt?

Natürlich haben wir uns ausgetausc­ht, aber Nico und ich verfolgen ohnehin eine ähnliche Er leidet extrem unter der Situation und kann sich nicht erklären, wie er sich infiziert hat. Er ist zwar schon länger wieder negativ, doch sind die Einreiseau­flagen so strikt, dass es sinnlos wäre, wenn er nachkommen würde.

Hat Dominic die gesamten zwei Wochen mit Freund Dennis Novak trainiert?

Der ursprüngli­che Plan war, in der zweiten Woche die Trainingsp­artner mit Nadal und Djokovic durchzutau­schen. Nachdem es dann aber in Melbourne positive Fälle gab, hat man uns diesbezügl­ich zuerst vertröstet und dann gesagt, dass es nicht geht.

Im Vorjahr stand Ihr Sohn bei den Australian Open im Endspiel, ist Dominic heuer reif für diesen Titel?

Dominic ist jetzt 27 Jahre alt und endgültig angekommen. Sein Spiel ist jetzt komplett. Den letzten entscheide­nden Schub gab es ab März 2020, als er viel Zeit zum Trainieren hatte und auch seine Fitness noch einmal angehoben hat. In dieser Zeit hat er sich nochmals extrem weiterentw­ickelt. Jetzt geht es eigentlich nur noch um Stabilisie­rung und noch mehr Konstanz.

Im Herbst sagte Dominic, dass man auch vermehrt am Weg ans Netz arbeiten wolle.

Ja, wir haben diesen Übergang optimiert. Aber man darf sich deswegen jetzt nicht erwarten, dass er bei jedem zweiten Punkt ans Netz vorlaufen wird. Es kommt immer darauf an, wann man so etwas einsetzt. Bei Grand-Slam-Turnieren wird es nicht oft der Fall sein.

Dominic spielt heute in Adelaide gegen Nadal eine Exhibition. Was darf man sich von so einem Match erwarten?

Wichtig ist, dass es nun endlich losgeht. Dominics Sehnsucht nach dem ersten Match ist riesengroß. Dass gleich im ersten Match des Jahres jemand wie Nadal wartet, ist super. Die Partie dient als ideale Standortbe­stimmung. Im Anschluss geht es für uns dann gleich zum Flughafen und dann nach Melbourne, wo am Dienstag der ATP Cup startet. Zwar kann man da ATP-Punkte und Prestige holen, doch ist der Cup auch eher nur eine Vorbereitu­ng auf die Australian Open unter Matchbedin­gungen.

Sie werden Österreich­s Team erstmals als Kapitän anführen.

Ja, das wird sicher interessan­t. Aber ich war ja bereits vergangene­s Jahr neben Thomas Muster ziemlich in die Geschichte involviert und habe Dominic und Dennis schon früher bei Sommercups als Kapitän angeführt und gecoacht. Auch mit Tristan-Samuel Weissborn habe ich früher schon einmal trainiert.

Wie stehen die Chancen gegen Italien und Frankreich?

Ich würde sagen, in beiden Fällen bei 50:50. Es wird darauf ankommen, wer am besten in eine Partie hineinkomm­t – es geht ja gleich gegen Topspieler. EntPhiloso­phie. scheidend werden auch die Doppelpart­ien sein – und da sind die Franzosen und Italiener sehr gut aufgestell­t.

Wie lautet Dominics Ziel für die heurige Saison – die Nummer eins der Welt zu werden?

Dominic ist in seinem Spiel jetzt so weit stabilisie­rt, dass er die ganz großen Turniere gewinnen kann. Und spielt er bei diesen regelmäßig gut, ist es möglich. Utopisch ist es auf alle Fälle längst nicht mehr. Aber es ist jetzt nicht so, dass er sich die Nummer eins zum konkreten Ziel gesetzt hätte. Diese Position ist vielmehr die Folge vieler guter Ergebnisse. Dafür darf er sich aber keine Hänger erlauben, wie er etwa 2020 einen in den USA hatte.

Die Corona-Pandemie hat die Welt nach wie vor fest im Griff. Glauben Sie, dass es heuer wieder eine so verrückte Saison werden wird wie im Vorjahr?

Nein, ich denke, dass es besser werden wird. Auch, weil alle damit besser umgehen können als im Vorjahr. Aber von einer normalen Saison werden wir auch heuer noch weit entfernt sein. Dominic wird nach Australien Doha und Dubai spielen – diese Turniere sollen nach heutigem Stand auch stattfinde­n. Aber wie es dann genau in Europa weitergehe­n wird, weiß man jetzt noch nicht. Derweilen soll noch alles nach Plan laufen, aber es ist damit zu rechnen, dass es wieder zu Verschiebu­ngen und Absagen kommen wird. Man muss eben versuchen, das Beste daraus zu machen.

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APA Wolfgang Thiem ist heuer Österreich­s ATP-CupKapitän
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Nadal und Thiem spielen heute (9 Uhr) in Adelaide eine Exhibition

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