Erlösung im Kampf um mehr Impfstoff
Die Zulassung für das dritte Impfmittel ist da: Die Behörde EMA gab grünes Licht für AstraZeneca, für alle Altersklassen ab 18. Doch es bleiben viele Fragen offen – ebenso nach der Veröffentlichung des Vertrages mit der EU.
Die EU gibt grünes Licht für das Mittel von AstraZeneca. Doch die Freigabe enthält Fragezeichen. Der Lieferkonflikt ist noch nicht gelöst und auch die Wirksamkeit
bei Senioren ist weiter unklar.
Die erlösende Nachricht kam erst am Ende eines überaus turbulenten Tages. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA erteilte die Freigabe für den Impfstoff von AstraZeneca – und zwar für alle Altersgruppen ab 18 Jahren. Zuvor war befürchtet worden, dass die über 65-Jährigen ausgenommen sein würden, die deutsche Impfkommission hatte am Donnerstag eine entsprechende Empfehlung abgegeben. In Österreich will man darüber bis Montag (siehe rechts) entscheiden. Die Präsidenten des Österreichischen Seniorenrats, Peter Kostelka und Ingrid Korosec, wollen eine außerordentliche Präsidiumssitzung des Österreichischen Seniorenrates einberufen, um sich zu beraten.
Doch der Entscheid birgt noch weitere offene Fragen in sich. Der nach Moderna und BionTech nunmehr dritte zugelassene Impfstoff weist eine geringere Wirksamkeit auf als die anderen beiden; diese liegen wegen Einsatzes neuer Technologien bei 95 Prozent, der nun zugelassene bei rund 60 Prozent – doch selbst das ist nicht ganz sicher, es könnten sich Unterschiede durch die eingesetzte Menge und die Zeit zwischen den beiden Teilimpfungen ergeben. Die EMA schlägt einen Abstand von vier bis zwölf Wochen vor. Bei der Altersgruppe ab 65 liegen nach wie vor zu wenige Daten über die Wirksamkeit vor, sie könnte signifikant geringer sein. Ein Sprecher der Amsterdamer Agentur sagte, die Datenauswertung dazu werde laufend fortgesetzt. Das Impfmittel wird per Notfallszulassung in einer Reihe von Ländern wie Großbritannien, Indien oder Brasilien bereits seit Wochen eingesetzt.
Noch im Februar sollen 343.547 Dosen Impfstoff von AstraZeneca nach Österreich geliefert werden, doch das Unternehmen hat seine geplanten Liefermengen an die EU um mehr als 70 Prozent reduziert. Um den Grund dafür und die Lösung des Problems ist ein Streit entbrannt, gestern wurde der davor geheime Vertrag veröffentlicht. Selbst das ging nicht ohne Panne ab: Bestimmte Passagen waren auf Wunsch des Unternehmens geschwärzt, in
einer ersten Version waren sie mit einem einfachen technischen Trick dennoch zu lesen.
Die Reaktionen darauf ergaben einmal mehr kein klares Bild. „Es gibt verbindliche Bestellungen und der Vertrag ist glasklar“, hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an der Darstellung ihrer Behörde fest, der Vertrag sei wasserdicht. Kern des Problems ist nach wie vor die „Best Effort“-Regelung, also dass das Unternehmen das „Bestmögliche“tun muss, um die Ziele zu erreichen. Das sei viel zu schwammig und juristisch nicht verfolgbar, so die Kritik; von der Leyen blieb dabei, dass das für die Entwicklung gelte, nicht aber für die Lieferungen selbst, die im Vertrag ausdrücklich
festgehalten sind. Auch der Preis dafür: 870 Millionen Euro.
Am Sonntag will sie einen „Videogipfel“mit allen Herstellern abhalten, um die Frage zu lösen. Meldungen zufolge hat AstraZeneca inzwischen etwas eingelenkt und will die Liefermenge doch etwas erhöhen.
Weil der Verdacht besteht, der Hersteller hätte für die EU bestimmte Lieferungen an Drittländer „umgeleitet“, hat die EU gestern als Sofortmaßnahme ein Export-Kontrollsystem eingeführt, das ab heute gilt. Nun sind Ausfuhrgenehmigungen zwingend, die auch blockiert werden können.