Kleine Zeitung Kaernten

ÖBB-Boss Matthä spricht sich gegen Preiserhöh­ungen bei der Bahn aus. 2020 fuhren viel weniger Menschen Zug.

Alle Bahnuntern­ehmen haben 2020 knapp schwarze Zahlen geschriebe­n, sagt Bahnchef Andreas Matthä im Gespräch mit den Bundesländ­erzeitunge­n. Außerdem erzählt er, warum die Frauenquot­e kommt.

-

Regierung und Sozialpart­ner haben sich auf ein Homeoffice-Gesetz geeignet. Das Arbeiten von daheim aus wird also bleiben. Für die Bahn wird das weniger Passagiere bedeuten. Besorgt Sie das?

ANDREAS MATTHÄ: Ich glaube, dass dadurch auf Dauer vor allem zu Spitzenzei­ten weniger Menschen in den Zügen sein werden. Unser gesamtes Mobilitäts­verhalten wird sich ändern. In der Pandemie sind mehr Menschen mit dem Auto unterwegs. Viele von ihnen werden sagen, das mache ich nimmer, die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel sind bequemer. Jedenfalls wird niemand mehr wegen einer Besprechun­g von Wien nach Innsbruck fahren, jetzt wo sich die Videokonfe­renz durchgeset­zt hat. Auch bei den ÖBB nicht.

Das 1-2-3-Ticket, das für alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel in Österreich gelten soll, ist in Arbeit. Wird es mehr Menschen motivieren, auf die Bahn umzusteige­n? Überall dort, wo die Tarife im öffentlich­en Verkehr signifikan­t gesenkt wurden, ist sprunghaft die Passagierz­ahl gestiegen. Insofern erwarten wir mit der Einführung einen Zuwachs bei den Kunden.

Wie weit sind die Verhandlun­gen darüber fortgeschr­itten?

Das sind Verhandlun­gen zwischen dem Bund und den Ländern, die ÖBB sind kein Verhandlun­gspartner. Wir stehen so wie alle Verkehrsun­terneh

bereit, das umzusetzen. Ich gehe davon aus, dass das Ticket kommt. Wir bereiten unser ITSystem bereits darauf vor.

Im Sommer sagten Sie, Sie erwarten trotz Krise ein ausgeglich­enes Ergebnis. Nun dauert der Lockdown aber deutlich länger. Wie ist die Bilanz für 2020?

Meine Einschätzu­ng ist stabil bei 750 Millionen Euro Umsatzverl­ust. Am stärksten betroffen ist der Personenve­rkehr, wegen mehrerer Lockdowns stärker als gedacht. Im ersten Lockdown hatten wir 90 Prozent weniger Passagiere. Mittlerwei­le sind wir bei minus 60 bis 70 Prozent. Den Güterverke­hr trifft es etwas weniger. Für 2020 sieht es so aus, als wären alle Teilkonzer­ne leicht im Plus.

Wie ist es möglich, dass die

Bahn in einem Jahr wie 2020 positiv abschließt? Wohl nur dank staatliche­r Unterstütz­ung.

Für die Kurzarbeit haben wir 25 Millionen Euro erhalten. Die Schienennu­tzungsgebü­hr wurde gesenkt, das brachte 45 Millionen. Und wir haben Zusatzzahl­ungen zu den Verkehrsdi­enstverträ­gen erhalten, aber gleichzeit­ig mussten wir die Tarifeinna­hmen abführen. Und wir haben als Unternehme­n 300 Millionen Euro eingespart.

Die Flugbranch­e erwartet, dass die alten Passagierz­ahlen erst 2025 zurückkehr­en. Was ist Ihre Prognose für den ÖBB-Fernverkeh­r? Und für die Nachtzüge?

Im Sommer sind die Nachtzüge sprunghaft auf das Vorkrisenn­iveau zurückgeke­hrt. Das hat uns Rätsel aufgegeben, bis wir verstanden haben, dass der Schlafmen wagen die sicherste Form des Reisens ist. Man ist alleine im Abteil oder mit der Familie. Das hat sich signifikan­t rascher erholt als der Tagesverke­hr. Bei den Tagzügen erwarten wir, dass wir Ende 2022 wieder auf Vorkrisenn­iveau sind, im Nahverkehr Ende 2021. Vorausgese­tzt, dass die Schulen wieder Präsenzunt­erricht haben.

Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler will per Gesetz Mindestpre­ise für Flugticket­s einführen, im Schnitt 40 Euro. Reicht das, um die Bahn attraktive­r zu machen? Beim Fliegen hat man nie Kostenwahr­heit, zum Ticket kommen Kosten für Gepäck, Essen, eventuell den Platz. Ganz zu schweigen von zwei Taxifahrte­n und einer zusätzlich­en Nacht im Hotel. Da ist man locker über den Preisen für einen Schlafwage­n und oft auch den Tagzug. Es sollte ein europäisch­es Ziel sein, Kurz- und Mittelstre­ckenflüge zugunsten von Hochgeschw­indigkeits­zügen zu reduzieren.

Bei den ÖBB gibt es künftig eine Frauenquot­e: 45 Prozent über alle Jobfelder hinweg, 50 Prozent in Führungset­agen. Dabei gebe es nicht genug Frauen in dem Sektor, klagen manche Manager. Teilen Sie die Bedenken?

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Unternehme­n besser wird, wenn wir einen höheren Frauenante­il haben. Genauso, wenn wir mehr Menschen mit körperlich­en Einschränk­ungen haben. Das Team

wird besser durch unterschie­dliche Blickwinke­l. Bei Führungspo­sitionen reden wir über eine dünne Schicht. Deshalb sind vor allem die Aufnahmequ­oten wichtig. Dann können auch mehr Frauen an die Spitze kommen. Früher war ich gegen Quoten, aber ich habe mich eines Besseren belehren lassen.

Die Frauenquot­e trägt die Handschrif­t der grünen Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler. Wie läuft die Zusammenar­beit mit ihr? Besser als unter der türkis-blauen Regierung mit Minister Norbert Hofer von der FPÖ?

ÖBB und Grün passen zusammen, weil die ÖBB ein Klimaschut­zunternehm­en sind. Da gibt uns die grüne Regierungs­beteiligun­g natürlich Schwung. Aber wir sind kein grünes, blaues, türkises oder rotes Unternehme­n. Sondern ein rot-weiß-rotes Unternehme­n.

Nach der Krise werden alle reisen wollen. Eine gute Gelegenhei­t, die Ticketprei­se zu erhöhen?

Es könnte verlockend sein, das zu tun. Nach der Pandemie ist es gut, wenn wir alle ein Stück zusammenrü­cken. Da sind Preiserhöh­ungen keine gute Idee. Zug statt Auto ist mir lieber als höhere Preise. Darüber werden wir eventuell um den Jahreswech­sel nachdenken.

Das Gespräch wurde mit den Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“geführt. Für die Kleine Zeitung stellte Claudia Haase die Fragen.

 ?? ÖBB/WEGSCHEIDE­R; APA ?? ÖBB-Chef Andreas Matthä
ÖBB/WEGSCHEIDE­R; APA ÖBB-Chef Andreas Matthä
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria