Kleine Zeitung Kaernten

Ist Österreich wirklich so?

- Wolfgang Benedek ist Professor für Völkerrech­t im Ruhestand an der Universitä­t Graz.

Wer es in die EU, also auch nach Österreich, schafft, könne auch bleiben, hieß es vor Kurzem an dieser Stelle. Die Realität sieht oft anders aus, wie die Abschiebun­g von in Österreich gut integriert­en Kindern zeigt. Allein im Jahr 2019 mussten 12.245 Asylwerber unser Land wieder verlassen. Im selben Jahr gab es 12.885 neue Asylanträg­e.

Das Ergebnis rechtsstaa­tlicher Asylverfah­ren ist grundsätzl­ich zu akzeptiere­n. Es gibt aber immer wieder Härtefälle, wo gut integriert­e Familien, Kinder oder Lehrlinge aus Prinzip abgeschobe­n werden, auch wenn humanitäre oder wirtschaft­liche Gründe dagegenste­hen. Der Logik, keine Präzedenzf­älle schaffen zu wollen, steht die menschlich­e Tragik mancher Fälle entgegen. Eine letztinsta­nzliche Ablehnung bedeutet nicht, dass die Behörden verpflicht­et wären, die Betroffene­n außer Landes zu bringen. Das liegt in ihrem Ermessen.

Österreich hat sich zur Einhaltung der Kinderrech­tekonventi­on verpflicht­et, wo das Kindeswohl das bestimmend­e Prinzip ist. Das Asylgesetz selbst sieht in den Paragrafen 55 und 56 die Möglichkei­t der Erteilung einer Aufenthalt­sbewilligu­ng in berücksich­tigungswür­digen Fällen, etwa zur Aufrechter­haltung des Privat- und Familienle­bens, vor. Freilich sind die Kriterien sehr restriktiv und noch restriktiv­er ist ihre Handhabung. Dennoch könnten diese Möglichkei­ten stärker genutzt und Länder sowie Gemeinden in die Entscheidu­ng eingebunde­n werden.

L etztlich geht es um den politische­n Willen, so wie bei der Aufnahme von 100 Familien aus dem Notlager Kara Tepe auf Lesbos. Dies wäre für Österreich keine Überforder­ung, von zahlreiche­n Privatinit­iativen bis zur Stadt Wien haben viele ihre Hilfe angeboten. Jeweils am Wochenende macht ein Zeltlager am Grazer Freiheitsp­latz und in anderen österreich­ischen Städten darauf aufmerksam, unter welchen Bedingunge­n die Menschen in diesem Lager leben müssen. Die Grazerin Doro Blancke hilft vor Ort. So gut wie alle moralische­n Autoritäte­n in Österreich haben sich für eine Aufnahme ausgesproc­hen. Die türkise Regierungs­seite sagt Nein. Ist Österreich wirklich so?

„Der Logik, keine Präzedenzf­älle schaffen zu wollen, steht die menschlich­e Tragik mancher Fälle entgegen.“

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Wolfgang Benedek meint, mehr Milde der Regierung in Asylhärtef­ällen wäre für das Land keine Überforder­ung.

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