Ist Österreich wirklich so?
Wer es in die EU, also auch nach Österreich, schafft, könne auch bleiben, hieß es vor Kurzem an dieser Stelle. Die Realität sieht oft anders aus, wie die Abschiebung von in Österreich gut integrierten Kindern zeigt. Allein im Jahr 2019 mussten 12.245 Asylwerber unser Land wieder verlassen. Im selben Jahr gab es 12.885 neue Asylanträge.
Das Ergebnis rechtsstaatlicher Asylverfahren ist grundsätzlich zu akzeptieren. Es gibt aber immer wieder Härtefälle, wo gut integrierte Familien, Kinder oder Lehrlinge aus Prinzip abgeschoben werden, auch wenn humanitäre oder wirtschaftliche Gründe dagegenstehen. Der Logik, keine Präzedenzfälle schaffen zu wollen, steht die menschliche Tragik mancher Fälle entgegen. Eine letztinstanzliche Ablehnung bedeutet nicht, dass die Behörden verpflichtet wären, die Betroffenen außer Landes zu bringen. Das liegt in ihrem Ermessen.
Österreich hat sich zur Einhaltung der Kinderrechtekonvention verpflichtet, wo das Kindeswohl das bestimmende Prinzip ist. Das Asylgesetz selbst sieht in den Paragrafen 55 und 56 die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in berücksichtigungswürdigen Fällen, etwa zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens, vor. Freilich sind die Kriterien sehr restriktiv und noch restriktiver ist ihre Handhabung. Dennoch könnten diese Möglichkeiten stärker genutzt und Länder sowie Gemeinden in die Entscheidung eingebunden werden.
L etztlich geht es um den politischen Willen, so wie bei der Aufnahme von 100 Familien aus dem Notlager Kara Tepe auf Lesbos. Dies wäre für Österreich keine Überforderung, von zahlreichen Privatinitiativen bis zur Stadt Wien haben viele ihre Hilfe angeboten. Jeweils am Wochenende macht ein Zeltlager am Grazer Freiheitsplatz und in anderen österreichischen Städten darauf aufmerksam, unter welchen Bedingungen die Menschen in diesem Lager leben müssen. Die Grazerin Doro Blancke hilft vor Ort. So gut wie alle moralischen Autoritäten in Österreich haben sich für eine Aufnahme ausgesprochen. Die türkise Regierungsseite sagt Nein. Ist Österreich wirklich so?
„Der Logik, keine Präzedenzfälle schaffen zu wollen, steht die menschliche Tragik mancher Fälle entgegen.“