Kämpferin an der Coronafront
Die EU-Gesundheitskommissarin gerät immer mehr unter Druck.
Was für ein Theater! Die EU und der Pharmakonzern AstraZeneca streiten auf offener Bühne um den Corona-Impfstoff. „Ich fordere AstraZeneca auf, (...) seinen vertraglichen, gesellschaftlichen und moralischen Verpflichtungen nachzukommen“, appellierte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides dieser Tage an den säumigen Impfstoffproduzenten. Mehr als 400.000 Menschen sind in den Ländern der EU bereits im Zusammenhang mit Corona gestorben, erklärte Kyriakides Anfang des Jahres im Europaparlament. Angesichts der neuen ansteckenderen Virusvarianten sei Europa weit davon entfernt, die Pandemie hinter sich zu lassen, sagte sie. Wie es scheint, hat die EU die flächendeckende Versorgung mit dem Impfstoff verschlafen. Das bringt die Gesundheitskommissarin aus Zypern unter Druck, sie wird dafür verantwortlich gemacht, dass das Impfen in den 27 EU-Staaten weit langsamer passiert als in den USA, in Israel oder in Großbritannien. Die 64-Jährige muss sich die Frage gefallen lassen, warum die Immunisierung der Bevölkerung in der EU so langsam passiert.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die zweifache Mutter, die in Großbritannien ihren Abschluss in klinischer Psychologie gemacht hatte, eigentlich für einen anderen Job nach Brüssel geholt. Kyriakides, die selbst zweimal eine Krebserkrankung überlebt und eine europaweit arbeitende Selbsthilfegruppe für Krebskranke aufgebaut hatte, sollte das Gesicht der Kommission im Kampf gegen Krebs werden. Europa sollte führend werden bei der Prävention, bei der Therapie, bei der Betreuung. Doch dann kam Corona. „Es war wie ScienceFiction“, erinnerte sich Kyriakides an die ersten Wochen im Jahr 2020. In ihren kühnsten Träumen, erklärte sie damals, habe sie sich so eine Lage wie mit dem Coronavirus nicht vorstellen können, als sie ihren Job im Dezember 2019 antrat. Mit der Pandemie wurde sie in die erste Reihe der Europapolitik katapultiert. Überzeugt hat sie dort bisher nicht.