Der Skiweltcup als Quoten-Feigenblatt
Wenn Peter Schröcksnadel als ÖSV-Präsident geht und Alexander Wrabetz als ORF-General bleibt, hat das auch mit Skisport zu tun.
Es war ein gutes Jahr für den ORF. Die Coronakrise bescherte ihm die höchsten Reichweiten seit Jahrzehnten. Genauer gesagt: Es war ein gutes Jahr für den aktuellen Dienst des ORF. Das Covid19-Dilemma brachte ihm sechs der zehn meistgesehenen Fernsehsendungen. Schon 2019 ging die Hälfte der Top Ten auf das Konto der Nachrichtenmacher. Doch das ist noch kein Trend. Denn im Jahr davor waren es bloß zwei unter den stärksten 20 Sendungen.
Der Info-Boom ist grundsätzlich krisenbedingt. Vor Corona war Ibiza. 2018 offenbarte als bislang letztes Jahr Österreichs wahre TV-Interessen. Eine „Zeit im Bild“und ein „Bundesland heute“, der Opernball und das Neujahrskonzert waren lediglich der Streusel auf dem fetten Sportkuchen mit 16 Übertragungen. Die Fußball-WM verzerrte dieses Bild zwar ein wenig, doch sieben Skiweltcuprennen unter den 20 meistgesehenen Sendungen sind ein deutlicher Indikator für die wirklichen Vorlieben der Nation.
Das setzt sich trotz der Pandemie fort. Flachau, Kitzbühel, Schladming erzielten jeweils wieder Millionenquoten. Die Schmähung des aktiven Freizeit-Skispaßes gilt nicht für den passiven Patschenkino-Rennsport. Das trifft sich gut, gleich nach Veröffentlichung der Marktanteile 2020 mit alarmierend geringen 8,2 Prozent für ORF 1 – dem Kanal für Sportübertragungen. Oder auch nicht. Es ist ein Indiz, wo „das erste Programm“ohne die Sendungen mit den oft kurios cokommentierenden ExRennläufern läge: auf dem Boden.
Ski-Weltcup und -Weltmeisterschaft sind immer noch die besten Feigenblätter zur Tarnung des wahren Zustands von ORF 1. Das gilt zumindest quantitativ. Qualitativ markieren Angebote wie am Mittwoch „Dok 1“zur politischen Correctness den richtigen Weg. Ob dessen Serpentinen auch aus dem Quotental führen, weiß niemand. Solange – anders als für ORF III – Marktanteile der Maßstab sind, bleiben Skirennen unverzichtbar.
Aus dieser Perspektive liegt die zweitwichtigste Personalentscheidung für den öffentlich-rechtlichen Zukunftskurs schon zwei Monate vor der Neuwahl des Generaldirektors. Nach 31 Jahren als Chef des Skiverbandes tritt Peter Schröcksnadel im Juni zurück. Wenn er jetzt seinen Nachfolgekandidaten zwischen Night Race in Schladming und Ski-WM in Cortina küren lässt, unterstreicht der Langzeitpräsident die wechselseitige Schlüsselrolle des Fernsehens. Umgekehrt sinken seit Sicherung der Skiweltcuprechte bis 2026 die Wettquoten für ein neuerliches Antreten von Alexander Wrabetz als ORF-Chef im August. Er wird wohl kandidieren.