Schuldfrage
Elf Festnahmen und fast 1800 Anzeigen. So lautet die Bilanz der Corona-Demonstration, die am Sonntag durch Wien zog. Das Innenministerium habe durchgegriffen und konsequent angezeigt, heißt es dort. Auf die Frage, wie es sein kann, dass Tausende trotz Untersagung stundenlang von der Polizei durch die Stadt begleitet wurden, reagiert man mit einer Gegenfrage: Was wäre die Alternative gewesen?
Nachvollziehbar, denn Bilder von Wasserwerfern und Gummigeschossen hätten die Stimmung im Land endgültig kippen lassen.
Für die Proteste hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) aber ohnehin bereits einen Schuldigen gefunden – FPÖ-Vorgänger Herbert Kickl. Der „Brandstifter“habe die Menschen aufgestachelt und stelle sich bewusst hinter anwesende Neonazis. Die Freiheitlichen schossen zurück und bezeichneten den Minister als „Lachnummer“.
Dass Kickl gezielt provoziert und seinen über Jahre einstudierten Tanz auf dem innenpolitischen Pulverfass aktuell besonders zu genießen scheint, steht außer Frage. Dass sich Nehammer aber erneut auf sein blaues Lieblingsfeindbild einschießt, wird langsam redundant. Es sei auch Kickl gewesen, der in dessen Amtszeit das gesamte Ministerium und das Vertrauen der Menschen in die Exekutive zerstört habe. it dieser Argumentation schießt sich Nehammer jedoch ein gehöriges Eigentor. Denn dass er, den nur noch fünf Monate von Kickls Amtszeit trennen, es weiterhin nicht zu schaffen scheint, sein Haus, in dem „Hurrikan Herbert“gewütet haben soll, in Ordnung zu bringen, spricht nicht für ihn.
M