Corona ist eine Krise der Frauen
Der Einfluss von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nimmt weltweit zu. Gleichzeitig tritt die ÖVP kräftig auf die Bremse und kehrt zurück zu einem alten Muster: Das Familienund Jugendressort ist endlich wieder mit dem Frauenressort vereint und die katholische Dreifaltigkeit „Kinder, Küche, Kirche“wieder im Zentrum des ideologischen Firmaments. Susanne Raab, die Frauenministerin, die nicht Feministin genannt werden will, vermeidet es, ganz im Sinne einer Politik ihres Kanzlers, frauenpolitisch aktiv zu werden. Das Weltbild der ÖVP tut sich immer noch sehr schwer mit selbstständigen, selbst denkenden und unabhängigen Frauen, die womöglich auch noch kinderlos sind. Ein realitätsferner Blick, gibt es doch unzählige erfolgreiche Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Frauen werden in diesem politischen Konzept weiterhin primär mit Familie zusammengedacht.
Frauen haben jahrzehntelang um bessere Jobs, mehr Lohn, um Kinderbetreuung und gerechtere Pensionen gekämpft. Corona macht diese Erfolge zunichte: Homeoffice und Homeschooling zwingen Frauen zurück ins private Umfeld, nicht selten an den Herd und ins Familienkrisenmanagement. Die Pandemie lenkt den Fokus auf die Schwachstellen unserer Gesellschaft und macht deutlich: Corona ist eine Krise der Frauen. Frauen halten den Betrieb am Laufen und leisten den Großteil der systemrelevanten, bezahlten und unbezahlten Arbeit bei gleichbleibendem Lohn. Inzwischen ist die Arbeitslosigkeit der Frauen höher als die der Männer und Familienpolitik darauf keine Antwort: Frauenpolitik bedeutet ein Bekenntnis zur Quote, Repräsentation, Entlastung bei Care-Arbeit und gerechte Entlohnung.
„Susanne Raab, die Frauenministerin, die nicht Feministin genannt werden will, vermeidet es, frauenpolitisch aktiv zu werden.“
Während in Österreich Konzerne von den Coronahilfen profitieren, machen es die nordischen Länder längst vor: Mittels nationaler Aktionspläne wird offensiv in Care-Strukturen investiert und Gender Budgeting realisiert. Das männlich-industrielle Wachstumsmodell ist an seine Grenzen gelangt, eine geschlechtergerechte Gesellschaft ist der innovative Zukunftstreiber für alle.
Ute Liepold ist Intendantin, Autorin und Regisseurin