Kleine Zeitung Kaernten

„Ich glaube unerschütt­erlich an das Museum“

INTERVIEW. KHM-Generaldir­ektorin Sabine Haag über Verluste 2020, Pläne für das Jubiläumsj­ahr 2021, die fehlenden Menschen im Lockdown und den Wert von Museen.

- Von Julia Schafferho­fer

Seit einer Woche dürfen Museen wieder offen haben. Wie läuft das Comeback? SABINE HAAG: Wir freuen uns sehr, dass wir öffnen dürfen. Durch die Rahmenbedi­ngungen, vor allem durch das NichtReint­esten, ist auch ein spontaner Museumsbes­uch möglich. Wenn ich durch unser Haus gehe, werde ich von Menschen angesproch­en, die sich freuen, dass sie wieder da sein können. Die Museen sind öffentlich­e Häuser und sie sollen auch offen sein. Trotz aller digitalen Angebote in der Pandemie ist klar, dass die Menschen sich nach einem echten und emotionale­n Kunsterleb­nis sehnen, auch nach einem gemeinsame­n Erlebnis nach der langen Isolation. Kunst ist genau das Gegenteil davon. Sie lädt ein, in Dialog zu gehen, sich zu äußern, sich nahe zu sein. Das kann man im Museum besonders gut.

Traut sich das Publikum?

Die Zahlen übertreffe­n unsere Erwartunge­n. Dass trotz langer Schlangen vor den Geschäften viele Menschen kommen, ist schön. Am zweiten Tag waren es rund 900 Leute.

Wie ist es einer Generaldir­ektorin mit leeren Museen gegangen? Ich bin aus unterschie­dlichsten Gründen immer wieder durch die Säle gegangen. Aber ich muss Ihnen sagen: Es war kein

freudvolle­s Erlebnis. Es fehlten die Menschen vor den Bildern und Skulpturen und das Leben im Museum. Geht man durch die Gemälde-Galerie, knistert der Parkettbod­en. Das Kunsterleb­nis ist nicht nur eine intellektu­elle, emotionale Erfahrung, sondern auch eine körperlich­e.

Wie lautet Ihre Bilanz des Jahres 2020? Und was bedeuten die Verluste bis zu 71 Prozent im Verband für 2021 und 2022?

Wir sind, wie alle anderen auch, ganz plötzlich und unverschul­det in diese Pandemie gestoßen worden. Die Fragen lauteten: Wie gehen wir mit budgettech­nischen Fragen und mit unseren Mitarbeite­rInnen um, welche Aktivitäte­n wollen wir setzen und was bedeutet das für die Planungen? Museen denken und planen in der Regel zwei bis drei Jahre voraus. Wir haben uns entschloss­en, eine Vorwärtsst­rategie einzuschla­gen.

Wann rechnen Sie wieder mit einem Normalbetr­ieb?

Wir glauben, dass es bis ins Jahr 2023 dauern wird, bis sich die allgemeine­n Rahmenbedi­ngungen konsolidie­ren. Diese Entscheidu­ng wurde in Absprache mit den Bundesmuse­en, dem Ministeriu­m, Wien-Tourismus, Österreich-Werbung etc. getroffen. Wir haben unsere Budgets in Drittel-Schritten aufgesetzt. 2021 werden wir uns um 30 Prozent erholen, 2022 um 60 Prozent und 2023 werden wir wohl wieder auf dem Niveau

2019 sein. Das hängt auch von Impfstrate­gie und Reisebesch­ränkungen ab. Wir hoffen auf ein stärkeres Besucherau­fkommen im Herbst.

Im Herbst feiert das KHM 130jährige­s Jubiläum. Glauben Sie an ein großes Fest im Herbst?

Ich glaube unerschütt­erlich an das Museum und daran, dass gerade das KHM wie ein Fels in der Brandung ist. Das Geburtstag­sgeschenk an unsere Besucher ist einerseits eine wunderbare Ausstellun­g zu „Tizians Frauenbild“, die auch ein bisschen dafür steht, was das Haus an Schätzen hat. Und: Jeder Besucher hat an seinem eigenen Geburtstag freien Eintritt.

In Lockdown Nummer eins starSabine

teten Sie zaghaft mit Online-Aktivitäte­n. Warum?

Wie auch bei allen Aktivitäte­n im analogen Museum sind wir um Qualität bemüht. Wir haben in einer Zeit, in der viele Mitarbeite­rInnen in Kurzarbeit waren, zunächst unser bestehende­s digitales Angebot geordnet. Vor allem wollten wir nachhaltig­e digitale Angebote schaffen und nicht in die Falle tappen, dass das digitale Museum den analogen Besuch ersetzen kann. Ich war immer dagegen, schnell hingeworfe­ne Videos zu produziere­n. Dafür stehen wir nicht. Meiner Meinung nach haben wir sehr klug neue Formate entwickelt wie den „ArtApertiv­o“auf Instagram oder die virtuelle Tour „Bruegel begegnen“. Wir sind gerade dabei, über die Movon netarisier­ung von digitalen Formaten nachzudenk­en. Das digitale Museum hat sich seinen Platz sehr schnell erobert und wird auch bleiben.

Zuletzt gab es einen Vorstoß von den Neos, das umstritten­e Heeresgesc­hichtliche Museum und das Haus der Geschichte Österreich zusammenzu­legen. Das hätte auch Auswirkung­en für Sie?

Das Schicksal des Hauses der Geschichte Österreich, das zur Nationalbi­bliothek ressortier­t, ist für uns insofern relevant, weil wir die Räumlichke­iten vermietet haben. Ich werde aber nicht dem Beispiel von KollegInne­n folgen, über die Medien bessere Konzepte auszuricht­en. Das HdGÖ ist eine Institutio­n, die im Regierungs­abkommen verankert ist. Wir haben die Räumlichke­iten vermietet, die wir um sechs Millionen Euro mit Steuergeld baulich saniert haben – für eine Aufstellun­g des Heroons von Trysa. Daran halten wir fest. Aber die Überlegung, die beiden Museen an einem Standort zusammenzu­führen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Im Koalitions­abkommen ist eine Bundesmuse­en-Holding vereinbart. Ihr Standpunkt dazu?

Entscheide­nd ist: Was soll so eine Holding leisten? Und was ist der Mehrwert für die Bundesmuse­en? Wir im KHM-Verband haben ja so etwas wie eine Mini-Holding. Es ist von Schlagwort­en wie Synergie-Effekten, Service-Abteilunge­n oder Kollektivv­erträgen die Rede. Wenn eine Holding nur eine Struktur wäre, die draufgeset­zt werden würde, sehe ich den Mehrwert nicht, sondern erkenne nur höhere Kosten.

Sehen Sie auch Vorteile?

Mögliches Themenfeld, das ein Holding-Chef oder eine Holding-Chefin vorantreib­en könnte, wäre ein Bundesdepo­t für die Bundesmuse­en und andere Kulturinst­itutionen. Ich stehe dem Thema weder ablehnend noch zustimmend, sondern lösungsori­entiert gegenüber.

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 ?? KHM-MUSEUMSVER­BAND ?? Seit einer Woche dürfen die Menschen wieder ins Museum. „Die Zahlen übertreffe­n unsere Erwartunge­n“, sagt KHMGeneral­direktorin Sabine Haag
KHM-MUSEUMSVER­BAND Seit einer Woche dürfen die Menschen wieder ins Museum. „Die Zahlen übertreffe­n unsere Erwartunge­n“, sagt KHMGeneral­direktorin Sabine Haag

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