Überdauert Nawalnys Bewegung ohne ihn?
Der Kreml-Kritiker bleibt hinter Gittern. Seine Mitstreiter wollen weiterkämpfen.
Am Samstag fällt das nächste Urteil gegen Alexei Nawalny. Vor zwei Wochen hat ihn ein Gericht zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verdonnert – aufgrund eines Urteils von 2014, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als „willkürlich“eingestuft hat. Es folgte nun ein Verleumdungsprozess, aller Voraussicht nach wird er mit einer hohen Geldstrafe enden. Ist die Inhaftierung des 44-Jährigen, der seit dem Giftattentat zur bekanntesten Führungsfigur der Opposition avancierte, der Todesstoß für die Demokratiebewegung in Russland? Oder besteht sie aus mehr als der Person Nawalnys?
Tatsächlich haben die landesweiten Proteste gezeigt, dass der Unmut über die Lage längst nicht mehr nur auf die liberaleren Städte Moskau und St. Petersburg begrenzt ist. Monatelang hatten die Menschen im Vorjahr beispielsweise auch in Chabarowsk im Fernen Osten gegen die Inhaftierung des dortigen Gouverneurs protestiert.
Die demokratische Opposition Russlands besteht keineswegs nur aus Nawalny und seiner Bewegung. Allerdings tat sich die sogenannte „außerparlamentarische Opposition“– Parteien und Gruppen, die es gar nicht mehr ins Parlament schafften – in den vergangenen Jahren schwer, sich noch Gehör zu verschaffen. 2012 war der prominente Putin-Kritiker Boris Nemzow erschossen worden.
Nawalnys Entschlossenheit nach dem Giftattentat fand auch die Unterstützung von Vertretern liberaler Oppositionsparteien wie Parnas, die ihn früher wegen nationalistischer Äußerungen kritisch sahen. Zudem ist es ihm mit seinem 2011 gegründeten Fonds zur Korruptionsbekämpfung (FBK) gelungen, parteiähnliche Strukturen in zahlreichen Regionen aufzubauen. Nawalny ist das bekannteste Gesicht nach außen – doch er hat Mitstreiter. Ein Gericht in Moskau schrieb kürzlich Leonid Wolkow, Nawalnys Manager, zur internationalen Fahndung aus. Ljubow Sobol, eine Juristin im Team Nawalny, und Kira Jarmysch, seine Sprecherin, wurden vorübergehend festgenommen. Dennoch wollen sie nicht aufgeben. „Nicht beachten, weiterarbeiten“, schrieb Wolkow auf Telegram.