Kleine Zeitung Kaernten

ÖGB-Chef Katzian: „In der Krise war der Sozialstaa­t der Hero“

Gewerkscha­ft will nicht nur „Escortserv­ice“sein, sondern beim Entwurf für die Zukunft mit am Tisch sitzen.

- WOLFGANG Katzian: „Nackertem kann man nichts aus dem Sack nehmen“ Stiftungen Claudia Gigler

Milliarden Euro an EU3,3Mitteln

stehen Österreich für den Wiederaufb­au nach der Corona-Pandemie zur Verfügung. Ihre Vorschläge für die Verwendung hat die Regierung bisher ignoriert?

KATZIAN: Die Diskussion über den Aufbau- und Resilienzp­lan läuft auf europäisch­er Ebene seit Herbst. Der ausdrückli­che Wunsch der EU-Kommission ist es, dass die Maßnahmen in den Ländern breit unter Einbindung der Sozialpart­ner diskutiert und entwickelt werden. In vielen Ländern hat das schon stattgefun­den, nur in drei Ländern wurde noch nichts gemacht, darunter Österreich.

Was sind Ihre Vorschläge?

58.000 offenen Stellen stehen 530.000 Arbeitssuc­hende gegenüber, 460.000 sind in Kurzarbeit. Wir brauchen eine Beschäftig­ungsund Qualifizie­rungsoffen­sive, in Richtung Gesundheit, Pflege, Elementarp­ädagogik. Da könnte man 90.000 neue Arbeitsplä­tze schaffen, vor allem auch für Frauen und Jugendlich­e. Das Zweite wäre unser Wunsch nach Erhöhung des Arbeitslos­engeldes.

Sie haben sich auch für eine zusätzlich­e Förderung von Unternehme­n ausgesproc­hen.

Ja. Wir wollen einen Fonds schaffen für Unternehme­n, die im Kern gesund sind, die aber vorübergeh­end finanziell­e Probleme haben. Die müssen wir unterstütz­en, damit die Arbeitsplä­tze gesichert bleiben. Der vierte Vorschlag bezieht sich auf den Bereich Gesundheit, Pflege und soziale Dienste: eine Pflegestif­tung, über die 80.000 Menschen in Gesundheit­s- und

Pflegeberu­fe wechseln könnten.

Statt der bestehende­n in den Ländern?

Die Idee wäre, einen bundesweit­en Rahmen zu bauen, in den die Initiative­n aus den Ländern integriert werden. Ziel ist aber, nicht die Finanzieru­ng zu verschiebe­n, sondern zusätzlich­e Ausbildung­splätze zu schaffen. Fünfter Bereich schließlic­h sind die Digitalisi­erung im Bildungsbe­reich und der Übergang zu einer klimaneutr­alen Wirtschaft. Die Transforma­tion ist eine enorme Herausford­erung, weil wir heute viele Autozulief­erer und eine energieint­ensive Industrie haben. Da braucht es Umschulung­en. Der bestehende Fonds „Just Transition“ist viel zu klein.

Wie geht es weiter?

Mit Ministerin Edtstadler habe ich vereinbart, dass es im März eine Diskussion­srunde gibt, bei der wir dabei sind.

Ist die Zusammenar­beit mit den Sozialpart­nern unter Türkis-Grün besser geworden als unter Türkis-Blau?

Ja, vorher hat es de facto keine bis nur informelle Kontakte gegeben, das war jetzt von Anfang an anders. Bei den Themen, wo es ein großes Interesse daran gibt, dass wir mit dabei sind, sind wir dabei. Ein gutes Beispiel sind die unterschie­dlichen Modelle der Kurzarbeit. Wir wollen aber auch beim Gestalten für die Zukunft dabei sein. Ich bin kein Escortserv­ice für die Regierung.

Mit Ihrer Forderung nach einer Vermögensa­bgabe sind Sie bisher abgeblitzt. Haben Sie da noch Hoffnung?

Ja. Das ist ja keine Forderung, die einen Selbstzwec­k erfüllen soll. Wir wünschen uns, dass wir herauswach­sen aus der Krise, am Ende des Tages werden trotzdem viele Dinge zu finanziere­n sein. Wer breite Schultern hat, kann viel beitragen, einem Nackerten kann ich nichts aus dem Sack nehmen. Der viel gepriesene Markt war in der Krise abgetaucht, der Sozialstaa­t war der „Hero“, der uns durch die Krise geführt hat. Den lass ich mir nicht zusammensc­hießen. Die Besitzer sehr hoher Vermögen könnten einen Beitrag leisten.

 ?? APA ??
APA

Newspapers in German

Newspapers from Austria