Reform als Verteidigung
Während die Staatsanwaltschaft gegen den Finanzminister ermittelt, überschlägt sich die Regierung mit Reformvorhaben. Doch der Teufel steckt im Detail.
Manchmal geht es sehr schnell: Dienstagabend wusste die Regierungsspitze selbst noch nicht, was am Mittwochmorgen nach dem Ministerrat verkündet werden sollte. Zwölf Stunden später traten Vizekanzler Werner Kogler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler vor die Kamera und verkündeten: Es kommt ein unabhängiger Generalstaatsanwalt! Und eine eigene weisungsfreie Aufsichtsbehörde für Glücksspiel!
Die Ermittlungen der Wirtschaftund Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Finanzminister Gernot Blümel führen derzeit zu einem Paradox: Sie sind eine tägliche Belastungsprobe für die türkis-grüne Koalition. Gleichzeitig haben sie in der Zusammenarbeit den Turbo gezündet. Seit der Hausdurchsuchung in Blümels Wohnung vergeht kein Tag, an dem die ÖVP nicht Kritik an der Justiz übt. Aber auch kaum ein Tag, an dem nicht Konstruktives auf den Weg gebracht wird.
Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses etwa oder die lange, überfällige Entflechtung von Politik und Glücksspiel. Auch die Einigung auf einen
unabhängigen Generalstaatsanwalt markiert einen Paradigmenwechsel. Zumindest auf den ersten Blick. Denn der Teufel steckt auch hier in den Details – und die sind noch alle offen.
Das Informationsfreiheitsgesetz hat eine lange Begutachtungsphase vor sich, in der Länder und Gemeinden ihre Bedenken einbringen werden. Um beschlossen zu werden, braucht es die Stimmen der Opposition. Und die Vorstellungen von ÖVP und Grünen über die vereinbarte Justizreform liegen jenseits der konsensualen Überschrift meilenweit auseinander.
So lancierten die Türkisen, dass sie im Zuge der Reform auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – ausgerechnet jene Behörde, die gegen Blümel ermittelt – einem umfassenden Umbau unterziehen will. Die Grünen erteilten dem prompt eine Abfuhr. Am nächsten Tag folgte dann die ÖVP-Idee, Berichterstattung über Ermittlungsverfahren einzuschränken und es unter Strafe zu stellen, wenn Medien aus Ermittlungsakten zitieren. Die Grünen stellten sich dagegen. Unter diesen Vorzeichen braucht es viel Fantasie, sich auszumalen, wie Karoline Edtstadler und Alma Zadic´, wie Sebastian Kurz und Werner Kogler bei einer umfassenden Justizreform auf einen grünen I Zweig kommen wollen. mmerhin, in einer Sache ist man sich einig: Die auf den Weg gebrachten Reformen haben das Ziel, das Vertrauen wiederherzustellen. Bloß in wen? In die Justiz? Die ÖVP? Die Staatsanwaltschaft? In Gernot Blümel? Die neue reformierende Geschäftigkeit ist eine heikle Taktik: Ist die Reform bloß getarnte Kritik oder wird gar als Verteidigungsstrategie eingesetzt, kehrt sich ihr erhoffter Effekt ins Gegenteil. Wenn sichtbar wird, dass hinter den schönen Überschriften keine Ernsthaftigkeit steckt, droht sich die Politik lächerlich zu machen. Auch das kann manchmal sehr schnell gehen.