Die Leiden des jungen Kästners
Ab Montag geht der Wettbewerb der Berlinale ohne österreichischen Beitrag digital über die Bühne. Verliehen werden die Bären erst im Juni – beim zweiten Teil des Festivals.
Kein roter Teppich, keine großen oder zu kleinen Roben, keine politischen oder geschwollenen Reden. Keine Frage: Die Not-Berlinale 2021 wird anders. 2020 endete das 70. Filmfestival in Berlin mit keinem einzigen Coronafall – es war das letzte analoge Kinofest vor der Pandemie. Aber: Viele der damals ausgezeichneten Werke haben es bis heute nicht auf die große Leinwand geschafft.
In einem leeren Kino präsentierte das Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian das zweigeteilte Programm ihres Festivals. Ein Statement in Zeiten des Dauer-Lockdowns. Von 1. bis 5. März lädt das Berliner Festival nun zu einem digitalen Kinomarkt für Jury, Branchenvertreter und Presse. Die gute Nachricht: Der Wettbewerb findet statt.
Die Gewinner der vergangenen sechs Goldenen Bären urteilen über die Wettbewerbsfilme: Mohammad Rasoulof, Nadav Lapid, Adina Pintilie, Ildikó Enyedi, Gianfranco Rosi sowie Jasmila Zbanic, die mit ihrem Drama „Quo Vadis, Aida“, einer österreichischen Koproduktion, auf der Oscar-Shortlist steht. Von 9. bis 20. Juni sollen dann u. a. die Siegerfilme groß gefeiert werden: vor Publikum und in den Kinos der Stadt. Man wolle „Flagge fürs Kino“zeigen.
Im Jahreskalender kommt der Berlinale eine wichtige Rolle zu. Mit ihr nimmt das Festivaljahr mitsamt Weltkino saisonale Fahrt auf. Hollywood hingegen war schon zuletzt nicht besonders präsent und der Wettbewerb kommt auch 2021 ohne US-Beitrag aus. Einzig die sonst populäre Nebenschiene Berlinale Special protzt mit Glamour: In „French Exit“von Azazel Jacobs ist Michelle Pfeiffer zu sehen und im Guantanamo-Thriller „The Mauritanian“wirken Jodie Foster und Benedict Cumberbatch mit.
Im komprimierten Wettbewerb laufen 15 Filme als Weltpremieren. Nebst Filmtrips in triste Gegenden wie nach Mexiko mit „Una Película de Policías“von Alonso Ruizpalacios, in den Libanon mit „Memory Box“von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige oder den Iran mit „Ballad of a White Cow“von Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam sind mit „Introduction“vom Koreaner Hong Sang-soo und „Wheel of Fortune and Fantasy“vom Japaner Ryu¯suke Hamaguchi zwei Arbeiten aus Asien vertreten. Als Coup gilt, dass die Französin Céline Sciamma, die mit der Lovestory „Porträt einer jungen Frau in Flammen“für Furore sorgte, ihren neuen Film „Petite maman“in Berlin zeigt.
Daneben ist das deutsche Kino nahezu omnipräsent im Bären-Rennen vertreten: Dominik Graf präsentiert die Verfilmung der Kästner-Autobiografie „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“mit Tom Schilling, Schauspieler Daniel Brühl sein Regiedebüt „Nebenan“. Ebenso im Wettbewerb: die neuen Arbeiten von Maria Schrader („Ich bin dein Mensch“) und Maria Speth („Herr Bachmann und seine Klasse“). 2021 ist im Wettbewerb kein Film aus Österreich vertreten.