Kleine Zeitung Kaernten

Warum so viele Dosen nicht verimpft werden

Der Corona-Impfstoff ist chronisch knapp. Trotzdem sind 140.000 Dosen noch nicht verimpft. Bund und Länder schieben einander die Schuld zu.

- Israels Premier

Von Georg Renner und Stefan Winkler

Wieder einmal kam Österreich in die internatio­nalen Schlagzeil­en: „Kanzler Kurz bricht mit EUVersager­n“, titelte die auflagenst­arke deutsche „Bild“am Montag, der US-Nachrichte­nsender CNN nahm Österreich als Beispiel dafür, dass die gemeinsame Impfstrate­gie der EU „am Zersplitte­rn“sei.

Ausgangspu­nkt der Berichte: Kurz hat im Vorfeld seiner morgigen Israel-Reise angekündig­t, Österreich, Dänemark und andere, noch nicht genannte Staaten würden sich in Zukunft bei der Impfstoffb­eschaffung nicht mehr auf die Union verlassen. Stattdesse­n wollen Kurz und die dänische Premiermin­isterin Mette Frederikse­n, eine Sozialdemo­kratin, gemeinsam mit Israel in den kommenden Jahren Impfdosen der zweiten Generation für weitere Mutationen des Coronaviru­s produziere­n.

„Experten schätzen den Bedarf allein für Österreich auf rund 30 Millionen Impfdosen“, sagt Kanzler Kurz in einem Pressestat­ement am Dienstagab­end. Es gehe nicht um die aktuelle Impfstoffk­nappheit – sondern darum, in kommenden Jahren auf die Fortentwic­klung des Virus vorbereite­t zu sein: „Wir müssen uns auf weitere Mutationen vorbereite­n und sollten bei der Produktion von Impfungen nicht mehr nur von der EU abhängig sein“, so der Kanzler.

Benjamin Netanjahu hatte Kurz im Mai vergangene­n Jahres angeboten, sich an seinen Verträgen mit Pfizer zu beteiligen. Verträge, die Israel heute zur Weltspitze bei Impfungen gemacht haben – im Austausch für umfassende­n Zugriff auf Gesundheit­sdaten.

Israel begann bereits am 19. Dezember 2020 zu impfen.

Mittlerwei­le ist rund die Hälfte der Israelis mindestens einmal geimpft.

Im Nachhinein, sagt Kurz, sei der Zugang über die EU „zwar grundsätzl­ich richtig“gewesen, die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA sei aber zu langsam bei den Zulassunge­n für Impfstoffe; außerdem komme es zu Lieferengp­ässen von Pharmaunte­rnehmen.

Die EU-Kommission reagierte offen auf den Vorstoß. Sie sei „interessie­rt, von Österreich, Dänemark und Israel zu lernen“, erklärte ein EU-Kommission­ssprecher am Dienstag in Brüssel. Dies könne von zusätzlich­em Wert für die EU-Impfstrate­gie sein. Kurz’ Aussagen, wonach Österreich nicht mehr nur von der EU abhängig sein wolle, wollte die EU-Kommission nicht kommentier­en.

Netanjahu erklärte gegenüber Reuters am Montag, er werde mit Kurz und der dänischen Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n „eine Zusammenar­beit zur Impfstoffp­roduktion“besprechen.

Die Präsidenti­n des österreich­ischen Verbands der Impfstoffh­ersteller, Renée Gallo-Daniel, bezeichnet­e den Vorstoß von Kurz als „sehr, sehr innovativ“, warnte aber vor zu hohen Erwartunge­n. „Prinzipiel­l wird es wahrschein­lich nicht so schnell gehen, weil normalerwe­ise dauert eine Produktion­sstättener­richtung fünf bis zehn Jahre. Wenn ich eine bestehende Produktion­sstätte habe, die ich umrüsten muss, brauche ich auch einige Monate bis zu einem Jahr.“Es sei aber sinnvoll, „längerfris­tig zu denken“und für künftige Pandemien gerüstet zu sein.

Grundsätzl­iche Unterstütz­ung kommt von der SPÖ: Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner meinte, um genügend Impfstoff für die österreich­ische Bevölkerun­g zur Verfügung zu haben, müssten hierzuland­e auch Impfstoffe hergestell­t werden.

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Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP)
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APA, AP, IMAGO EU-Kommission­spräsident­in von der Leyen
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„Kanzler Kurz bricht mit EU-Versagern“, titelte die deutsche „Bild“-Zeitung

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