Kleine Zeitung Kaernten

Aufräumen bei Europas Konservati­ven

Viktor Orbáns Fidesz kam dem Ausschluss aus der EVP zuvor und trat aus der Fraktion aus.

- Von Andreas Lieb, Brüssel

Der Brief vom Sonntag, so heißt es aus dem EVPFührung­skreis, hätte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht, das sei erpresseri­sch gewesen. Angesichts der bevorstehe­nden Regeländer­ung bei den Europäisch­en Konservati­ven, zu der auch die ÖVP gehört, hatte der ungarische Ministerpr­äsident und FideszVors­itzende Viktor Orbán einen Brief an Fraktionsc­hef Manfred Weber geschickt, in dem er mit dem Austritt der Fidesz-Delegation droht, sollte die neue Geschäftso­rdnung angenommen werden. Sie wurde: Mit 148 Stimmen (28 Gegenstimm­en) wurde eine Möglichkei­t beschlosse­n, künftig ganze Delegation­en von Mitgliedsp­arteien aus der EVP-Fraktion ausoder suspendier­en zu können. Die Fidesz kam allen weiteren Maßnahmen zuvor und erklärte ihren Austritt aus der Fraktion. Auf Parteieben­e war die Fidesz ohnehin schon seit Frühjahr 2019 suspendier­t.

Für Orbán sind die Regeländer­ungen ein „feindliche­r Akt gegen Fidesz und unsere Wähler“, die EVP-Fraktion versuche, „unsere demokratis­ch gewählten Abgeordnet­en zum Schweigen zu bringen und zu behindern“. Dies sei „undemokrat­isch, ungerecht und inakzeptab­el“.

Manfred Weber sagte im Pressegesp­räch, auch wenn es kein glückliche­r Tag sei, sei er doch froh, dass sich die Gruppe vereint zeige und die Dinge von nun an klarer seien. Weber: „Meine Aufgabe ist, die Einigkeit der Gruppe zu bewahren;

unsere Abstimmung ist ein Zeichen von Einheit und Stärke.“Gleichzeit­ig bedauerte er den Abgang und ließ die Tür für weitere Zusammenar­beit – etwa bei Abstimmung­en im EU-Parlament – offen.

Viktor Orbán hat in den vergangene­n Jahren kaum eine Gelegenhei­t ausgelasse­n, seine euschließe­n ropäische Parteienfa­milie in Erklärungs­not zu bringen. Es waren die „großen“EU-Themen wie der Streit ums Budget und den Wiederaufb­aufonds, die Migrations­frage, Rechtsstaa­tlichkeit, illiberale Demokratie oder zuletzt Impfstoffb­eschaffung, aber auch Interna, etwa Orbáns aggressive Plakatkamp­agne gegen Parteikoll­egen Jean-Claude Juncker im EUWahlkamp­f. Ein Weisenrat (mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel) kam zu keinem Ergebnis, innerhalb der Fraktion wurden immer tiefere Gräben aufgerisse­n.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Umgehend kam für die Fidesz ein Angebot von der deutschen Rechtspart­ei AfD. Erwartet wird, dass sich die ungarische Partei zunächst in den Ostländern der EU nach neuen Partnern umsieht.

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APA Fidesz-Chef und Ungarns Premier Viktor Orbán einst bei der EVP

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