Auch Distance Learning muss gelernt werden
Schulschließungen haben den Lernertrag niederländischer Schüler auf null gedrückt. Sieht es in Österreich ähnlich dramatisch aus?
Ein Lernergebnis von null Prozent in Zeiten des ersten Lockdowns, als die Schulen in den Niederlanden für acht Wochen geschlossen waren und die Schüler auch dort auf Distance Learning umsteigen mussten. Das ist das erschreckende Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie der Unis Oxford und Stockholm.
Was die Forscher betonen: Eine Schulschließung von acht Wochen bedeute eine im Vergleich nur kurze Zeitspanne. Außerdem verfügen die Niederlande über die weltweit höchste Rate bei Breitbandanschlüssen. Es sei daher naheliegend, dass die Resultate in Ländern mit längeren Schließungen und schlechterer Internetausstattung, wie beispielsweise Österreich, noch gravierender sein müssten.
Ist die Lage in Österreich wirklich so dramatisch? Haben die Schüler in den Zeiten von Lockdowns und Distance Learning wirklich so wenig gelernt, wie die Studie aus den Niederlanden befürchten lässt? Universitätsprofessorin Christiane Spiel, die mit einem Forschungsteam der Fakultät für Psychologie der Uni Wien seit dem ersten Lockdown an der Studie „Lernen unter Covid-19“arbeitet, sieht das Ganze differenzierter. Üblicherweise werden bei Bildungsstandarderhebungen – siehe auch Österreich – zentrale Kompetenzen in den Hauptfächern erhoben „und nicht wichtige Kompetenzen für das spätere Leben wie strukturiertes Lernen, Selbstständigkeit, Selbstorganisation.“In diesen Bereichen hat es sehr positive Entwicklungen gegeben.
Der erste Lockdown ist jedoch völlig unvorbereitet über Schüler, Lehrer und auch Eltern hereingebrochen. „Das war eine unglaubliche Herausforderung.
Da kann man nicht erwarten, dass es sofort Lernfortschritte in inhaltlichen Bereichen gibt.“Mittlerweile läuft die fünfte Online-Erhebung unter Tausenden von Schülern, Studierenden, Lehrern und Eltern – keine Auftragsstudie, betont Spiel; jedoch unterstützt der Minister diese
Erhebung vor dem Sommer, als zumindest wieder im Schichtbetrieb an Schulen unterrichtet wurde, hat gezeigt: Schüler und Lehrer kommen immer besser mit der ungewohnten Situation zurecht. „Beide Gruppen haben dazugelernt.“98,7 Prozent der Befragten hatten mittlerweile einen Computer, Laptop oder
Bildungspsychologin ChristianeSpiel (links) von der Uni Wien untersucht mit ihrem Team die Auswirkungen von Home Schooling und Distance Learning ein Tablet zum Lernen zur Verfügung. Vor allem die Pflichtschüler beurteilten das Lernen zu Hause besser (30,2 Prozent) als im ersten Lockdown, 27,1 Prozent machte das Arbeiten zu Hause mehr Spaß. „In Österreich ist es mit dem Distance Learning recht gut gelaufen“, zieht Spiel Bilanz. „Doch es war schnell klar, wie wichtig es ist, dass die Schulen offen sind.“
Beim Home Schooling gefährdet sind nämlich die Risikogruppen – Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen, ohne Computer oder geregeltem Tagesablauf in der Familie. „Um sie muss man sich jetzt besonders kümmern.“Sonst würde die Kluft immer größer werden.