Den Rotstift angesetzt
Haydns Oratorium im Stream mit recreation.
In seinem neuen Roman „Wir bleiben noch“erzählt Daniel Wisser von Victor Jarno, Mitte vierzig, kinderlos und der letzte Sozialdemokrat in einer Wiener Familie, die immer die Sozialdemokraten gewählt hat. Als seine Cousine Karoline aus dem Ausland zurückkehrt, werden die beiden ein Paar – für den Rest der Familie ein Skandal. Noch dazu vererbt die Großmutter ihr Haus am Land an Victor, der dort nun mit Karoline einzieht.
Wir bleiben noch. Verlag Luchterhand,
490 Seiten, 22,90 Euro
sönliche Kontakt wieder möglich sein. Den können soziale Medien nicht ersetzen. Dort hat man eher Kontakt mit Menschen, die man nie persönlich trifft.
In Ihrem neuen Roman werden Victor und seine Cousine ein Paar. Vor allem für die Familie birgt das Sprengstoff. Muss man auch ein bisschen provozieren, um heutzutage noch einen Familienroman schreiben zu können?
Ich weiß nicht, ob es wirklich provokant ist. Es ist ja keine verbotene Verbindung. Und deshalb habe ich gerade diese Konstellation ausgesucht, weil man die Liebe zwischen Cousine und Cousin einerseits als Skandal sehen kann, andererseits aber auch sagen kann: Ja, und? Was ist daran so schlimm? Die
Familie im Roman hat beide Möglichkeiten. Sie entscheidet sich dafür, sich abzugrenzen. Und das ist leider symptomatisch für unsere Zeit. Alle Menschen brauchen Komfortzonen, Bereiche, in die sie sich entspannt zurückziehen können. Doch die rechte Politik hat es sich zum Ziel gemacht, alle Bereiche des gesellschaftlichen Konsenses aufzubrechen und anzugreifen.
Sie sind Mitgründer des Ersten Wiener Heimorgelorchesters. Als freischaffender Künstler ist die Lage derzeit besonders schwierig. Was würde es an Hilfe brauchen? Literar-Mechana und Stadt Wien haben mir geholfen. Aber es geht natürlich darum, weiterzumachen und selbstständig zu sein. Das Schlimme an der Politik
geb. 1971 in Klagenfurt, wächst im Burgenland auf und lebt seit 1989 in Wien.
Mitbegründer des Ersten Wiener Heimorgelorchesters, das zuletzt „Die Letten werden die Esten sein“(2018) und „anderwo“(2019) veröffentlichte.
2011 beim Bachmann-Preis. Teilnahme an der Millionenshow, bei der er die letzte Frage nicht beantwortete und 300.000 Euro gewann.
2018 für „Königin der Berge“u. a. mit dem Österreichischen Buchpreis gewürdigt.
Weitere Werke: u. a. „Ein weißer Elefant“, „Löwen in der Einöde“.
ist, dass Kunst und Kultur immer an letzter Stelle kommen. Das war schon immer so. Durch die Pandemie hat es sich aber noch verschärft.
Wie wichtig ist daher eine private Initiative wie die Kärntner Kulturstiftung, in deren Kuratorium Sie auch sitzen?
Es ist sehr wichtig, weil sie für stärkere Ausgewogenheit der Kulturförderung sorgt. Und es ist schön zu spüren, dass sich in Kärnten ein ganz neues Klima der Kultur und der Debatte etabliert hat. Das ist wirklich vorbildlich und ich bin froh, dass ich das erleben darf, denn ich kenne noch das Kärnten, in dem ein ganz anderes Klima herrschte.
Gibt es in Österreich zu wenig privates Mäzenatentum? Oder ist es nicht ohnehin Verantwortung und Pflicht der öffentlichen Hand, das kulturelle Leben zu fördern? Natürlich ist es auch Pflicht und Verantwortung der öffentlichen Hand, aber nicht alleine. Kärnten hat enormes künstlerisches Potenzial; denken Sie doch einmal an alle seine großen Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler! Es ist sinnvoll, das kulturelle Leben breiter aufzustellen.
Das zu sagen, ist zwar Ketzerei und Sakrileg in einem, aber so ganz todunglücklich muss man über eine gekürzte Fassung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“auch wieder nicht sein. Zumal im dritten Teil, bei dem immer wieder Aufnahmefähigkeit und Konzentration selbst des geneigtesten Hörers schwinden. Wobei der antiquierte Gesangstext sein Übriges tut.
Genau dort setzte der Dirigent Andreas Stoehr den Rotstift an und reduzierte das Oratorium – inklusive einiger Striche in den ersten beiden Teilen – auf gut eine Stunde. Das Orchester recreation und der Chor pro musica graz waren bei der Aufnahme im Grazer Stefaniensaal gut in Form, wovon man sich ab heute, 18 Uhr, einen Eindruck verschaffen kann: auf dem Streaming-Kanal der styriarte sowie auf YouTube. Da wird es theatralisch Licht, da kreucht und fleucht es klassisch-genial.
Ergänzend gibt es eine neue Folge des styriartePodcasts, in dem Katharina Schellnegger mit dem Dramaturgen Karl Böhmer über Haydns Treffen mit dem legendären Astronomen Wilhelm Herschel spricht. Abrufbar u. a. auf Spotify.