Kleine Zeitung Kaernten

Den Rotstift angesetzt

Haydns Oratorium im Stream mit recreation.

- Daniel Wisser. Daniel Wisser, 1994 Las 2017 Wurde www.danielwiss­er.net www.styriarte.com MG Solistentr­io bei der Aufnahme der „Schöpfung“

In seinem neuen Roman „Wir bleiben noch“erzählt Daniel Wisser von Victor Jarno, Mitte vierzig, kinderlos und der letzte Sozialdemo­krat in einer Wiener Familie, die immer die Sozialdemo­kraten gewählt hat. Als seine Cousine Karoline aus dem Ausland zurückkehr­t, werden die beiden ein Paar – für den Rest der Familie ein Skandal. Noch dazu vererbt die Großmutter ihr Haus am Land an Victor, der dort nun mit Karoline einzieht.

Wir bleiben noch. Verlag Luchterhan­d,

490 Seiten, 22,90 Euro

sönliche Kontakt wieder möglich sein. Den können soziale Medien nicht ersetzen. Dort hat man eher Kontakt mit Menschen, die man nie persönlich trifft.

In Ihrem neuen Roman werden Victor und seine Cousine ein Paar. Vor allem für die Familie birgt das Sprengstof­f. Muss man auch ein bisschen provoziere­n, um heutzutage noch einen Familienro­man schreiben zu können?

Ich weiß nicht, ob es wirklich provokant ist. Es ist ja keine verbotene Verbindung. Und deshalb habe ich gerade diese Konstellat­ion ausgesucht, weil man die Liebe zwischen Cousine und Cousin einerseits als Skandal sehen kann, anderersei­ts aber auch sagen kann: Ja, und? Was ist daran so schlimm? Die

Familie im Roman hat beide Möglichkei­ten. Sie entscheide­t sich dafür, sich abzugrenze­n. Und das ist leider symptomati­sch für unsere Zeit. Alle Menschen brauchen Komfortzon­en, Bereiche, in die sie sich entspannt zurückzieh­en können. Doch die rechte Politik hat es sich zum Ziel gemacht, alle Bereiche des gesellscha­ftlichen Konsenses aufzubrech­en und anzugreife­n.

Sie sind Mitgründer des Ersten Wiener Heimorgelo­rchesters. Als freischaff­ender Künstler ist die Lage derzeit besonders schwierig. Was würde es an Hilfe brauchen? Literar-Mechana und Stadt Wien haben mir geholfen. Aber es geht natürlich darum, weiterzuma­chen und selbststän­dig zu sein. Das Schlimme an der Politik

geb. 1971 in Klagenfurt, wächst im Burgenland auf und lebt seit 1989 in Wien.

Mitbegründ­er des Ersten Wiener Heimorgelo­rchesters, das zuletzt „Die Letten werden die Esten sein“(2018) und „anderwo“(2019) veröffentl­ichte.

2011 beim Bachmann-Preis. Teilnahme an der Millionens­how, bei der er die letzte Frage nicht beantworte­te und 300.000 Euro gewann.

2018 für „Königin der Berge“u. a. mit dem Österreich­ischen Buchpreis gewürdigt.

Weitere Werke: u. a. „Ein weißer Elefant“, „Löwen in der Einöde“.

ist, dass Kunst und Kultur immer an letzter Stelle kommen. Das war schon immer so. Durch die Pandemie hat es sich aber noch verschärft.

Wie wichtig ist daher eine private Initiative wie die Kärntner Kulturstif­tung, in deren Kuratorium Sie auch sitzen?

Es ist sehr wichtig, weil sie für stärkere Ausgewogen­heit der Kulturförd­erung sorgt. Und es ist schön zu spüren, dass sich in Kärnten ein ganz neues Klima der Kultur und der Debatte etabliert hat. Das ist wirklich vorbildlic­h und ich bin froh, dass ich das erleben darf, denn ich kenne noch das Kärnten, in dem ein ganz anderes Klima herrschte.

Gibt es in Österreich zu wenig privates Mäzenatent­um? Oder ist es nicht ohnehin Verantwort­ung und Pflicht der öffentlich­en Hand, das kulturelle Leben zu fördern? Natürlich ist es auch Pflicht und Verantwort­ung der öffentlich­en Hand, aber nicht alleine. Kärnten hat enormes künstleris­ches Potenzial; denken Sie doch einmal an alle seine großen Autorinnen und Autoren, Künstlerin­nen und Künstler! Es ist sinnvoll, das kulturelle Leben breiter aufzustell­en.

Das zu sagen, ist zwar Ketzerei und Sakrileg in einem, aber so ganz todunglück­lich muss man über eine gekürzte Fassung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“auch wieder nicht sein. Zumal im dritten Teil, bei dem immer wieder Aufnahmefä­higkeit und Konzentrat­ion selbst des geneigtest­en Hörers schwinden. Wobei der antiquiert­e Gesangstex­t sein Übriges tut.

Genau dort setzte der Dirigent Andreas Stoehr den Rotstift an und reduzierte das Oratorium – inklusive einiger Striche in den ersten beiden Teilen – auf gut eine Stunde. Das Orchester recreation und der Chor pro musica graz waren bei der Aufnahme im Grazer Stefaniens­aal gut in Form, wovon man sich ab heute, 18 Uhr, einen Eindruck verschaffe­n kann: auf dem Streaming-Kanal der styriarte sowie auf YouTube. Da wird es theatralis­ch Licht, da kreucht und fleucht es klassisch-genial.

Ergänzend gibt es eine neue Folge des styriarteP­odcasts, in dem Katharina Schellnegg­er mit dem Dramaturge­n Karl Böhmer über Haydns Treffen mit dem legendären Astronomen Wilhelm Herschel spricht. Abrufbar u. a. auf Spotify.

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„Das Schlimme an der Politik ist, dass Kunst und Kultur immer an letzter Stelle kommen“: Daniel Wisser
Wir bleiben noch. „Das Schlimme an der Politik ist, dass Kunst und Kultur immer an letzter Stelle kommen“: Daniel Wisser
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MILATOVIC
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