Kleine Zeitung Kaernten

Brauchen wir noch einen landesweit­en Lockdown?

Warum die SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r angesichts steigender Infektions­zahlen ganz Österreich herunterfa­hren will, jedoch Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner (ÖVP) regionale Maßnahmen für ausreichen­d hält.

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Corona begleitet unser Leben schon viel zu lang. Gesundheit, Wirtschaft und Gesellscha­ft leiden darunter – ja, jeder Einzelne von uns. Mit ihrer Strategie – halb offen, halb zu – verlängert die Bundesregi­erung den jetzigen Zustand und zieht ihn unnötig in die Länge. Das verzögert den positiven Effekt der Impfung. Die gefährlich­ere britische Mutation hat sich mittlerwei­le auch im Westen Österreich­s verbreitet. Die Zahl der Ansteckung­en ist zu hoch, viele Intensivst­ationen sind nicht nur im Osten am Limit. Man darf nicht nur auf freie Betten schauen, sondern wir müssen auch das Spitalsper­sonal im Blick haben. Sie alle arbeiten an der Belastungs­grenze, während die Regierung inkonseque­nt, kurzsichti­g, mutlos handelt. Ihr selbst gestecktes Ziel, die Infektione­n stark zu senken, hat sie Anfang Februar aufgegeben.

Es ist höchste Zeit, das zu ändern, denn wir alle brauchen die Perspektiv­e auf einen annähernd normalen Sommer. Eines darf man jetzt nicht machen: warten, bis die Intensivst­ationen in allen Bundesländ­ern an ihre Grenzen stoßen. Denn das betrifft dann alle Patienten – nicht nur Covid-Erkrankte. Richtig wäre es jetzt, für kurze Zeit ganz Österreich runterzufa­hren, die Infektions­zahlen schnell zu senken und uns mit viel Impfen und Testen unsere Freiheit zurückzuho­len.

Unser Land ist zu klein, um große Unterschie­de in der Corona-Bekämpfung zu machen. Natürlich ist es richtig, regional auf regionale Ausbrüche zu reagieren – insbesonde­re bei neuen Mutationen. Der Ost-Lockdown und die Schulferie­n zeigen erste Wirkung. Trotzdem haben wir zu viele Ansteckung­en und zu viele Intensivpa­tienten, auch außerhalb der Ostregion. Wenn die Regierung den aktuell ziellosen Zustand fortsetzt, braucht sie sich nicht wundern, wenn die Menschen bei den Maßnahmen weniger mitgehen. Die Alternativ­e zu zehn Wochen mit regionalen Mini-Lockdowns ist ein kurzes, aber wirksames Runterfahr­en im ganzen Land. Einmal noch die Zähne zusammenbe­ißen und als Belohnung ein großer Schritt in Richtung Freiheit und Normalität.

Oberstes Ziel muss sein, das Virus nachhaltig unter Kontrolle zu bringen. Hätte man Anfang Februar nicht bei zu hohen Zahlen geöffnet, hätten wir heute bereits eine niedrigere Inzidenz. Wir sollten österreich­weit kurz und wirksam runterfahr­en. Gemeinsam mit einem Impf-Turbo haben wir so die Chance auf einen annähernd normalen Sommer. Diese echte Perspektiv­e brauchen wir alle so dringend: die Älteren genauso wie die Jüngeren, die Intensivst­ationen genauso wie die Unternehme­n und die Kultur.

Knapp vier Wochen nach Beginn der Vorarlberg­er Modellregi­on lässt sich eine erfolgreic­he Bilanz ziehen. Obwohl die britische Virusmutat­ion auch hierzuland­e auf dem Vormarsch ist, sind wir bei den Infektione­n weiterhin nicht mit einem exponentie­llen Wachstum konfrontie­rt. Die Spitalsaus­lastung bietet – trotz moderatem Anstieg – ebenfalls keinen Anlass zur Sorge, ebenso die Intensivka­pazitäten.

Unsere Auswertung­en zeigen, dass die Öffnungssc­hritte für die Zunahme bei den Infektione­n kaum ins Gewicht fallen. Es gibt bisher keinerlei Hinweise auf Gastro- oder Kulturclus­ter. Die Ansteckung­en finden vor allem im privaten Umfeld statt. Daran lässt sich ablesen, dass die Bevölkerun­g Einschränk­ungen im familiären und persönlich­en Umfeld nicht mehr umfänglich mitträgt. Ein Blick nach Deutschlan­d genügt: Trotz monatelang­em strengen Lockdown ist das Land weiterhin mit steigenden Infektions­zahlen konfrontie­rt.

Aus diesen Gründen sind regionale Schritte – verbunden mit entspreche­nden Lockerunge­n und Verschärfu­ngen je nach Lagebild – ein Gebot der Stunde. Dass regionale Ausbrüche an einem Ende Österreich­s zwingend zu denselben Maßnahmen am anderen Ende führen müssen, ist der Bevölkerun­g nicht schlüssig argumentie­rbar.

Fakt ist, dass strenge regionale Verschärfu­ngen wirksam sind. Das zeigen mehrere Beispiele in Österreich. Entscheide­nd ist, dass in solchen Fällen schnell und konsequent gehandelt wird. Dass Vorarlberg seine Öffnungssc­hritte nicht leichtfert­ig aufs Spiel setzt, hat auch das schnelle Handeln im Leiblachta­l gezeigt. Denn klar ist: Nur durch verantwort­ungsvolles und konsequent­es Handeln können wir unsere Modellregi­on erhalten.

Was nicht vergessen werden darf: Innerhalb von vier Wochen ist die Arbeitslos­igkeit in Vorarlberg um 10 Prozent gesunken, die psychosozi­ale Situation von Kindern hat sich deutlich verbessert und die Bevölkerun­g zeigt eine stark gestiegene Bereitscha­ft, sich testen zu lassen. So haben wir in der vergangene­n Woche in 139 Teststatio­nen über 153.000 Tests durchgefüh­rt. Seit Beginn der Modellregi­on hat sich die Anzahl der Tests pro Woche um 140 Prozent erhöht. Wir erschließe­n dadurch neue Bevölkerun­gsgruppen, die wir davor nicht erreichen konnten.

Wir müssen wachsam bleiben. Allein die Inzidenz zu betrachten, genügt nicht mehr. Vielmehr müssen regionale Parameter wie Intensivbe­legung, Impfrate, Testkapazi­tät, Contact Tracing, wirtschaft­liche Lage, Akzeptanz der Bürger gesamthaft betrachtet werden.

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