Kleine Zeitung Kaernten

Die Gäste kehren an die Adria zurück. Trotzdem wird Kroatiens Tourismus von Ängsten geplagt.

Die Touristen sind an Kroatiens Küste zurückgeke­hrt, doch Coronasorg­en überschatt­en auch an der Adria die Hoffnung auf eine gute Saison.

- Von unserem Korrespond­enten Thomas Roser aus Vis

Im Gegensatz zu anderen Mittelmeer­staaten sind die Infektions­zahlen in Kroatien weiterhin niedrig. Doch trotz der Rückkehr der Touristen wird die Hoffnung auf eine Erholung der Tourismusb­ranche von Sorgen getrübt: CoronaÄngs­te überschatt­en auch an der Adria den Auftakt dieser Sommersais­on.

Die Sonne leuchtet mit den Wellen um die Wette. Die Dächer von Split verschwind­en allmählich am Horizont. Die grünen Gestade von Bracˇ und Hvar tauchen auf. Eine Möwe kreischt, während das Fährschiff von Kroatiens staatliche­r „Jadrolinij­a“gemächlich durch Dalmatiens malerische Inselwelt in Richtung Süden tuckert.

Corona scheint weit weg, ist aber auch an Bord der „Petar Hektarovic´“allgegenwä­rtig. „Tragen Sie Masken, schützen Sie sich und andere“, so die halbstündi­g wiederholt­e Botschaft aus den Schiffslau­tsprechern. Die Kunde wird von den fröhlich schwatzend­en Passagiere­n vernommen, aber kaum erhört. Ob auf dem Sonnendeck oder unter Deck in der Schiffskan­tine: Abgesehen vom Personal haben sich nur wenige den Mund-Nasen-Schutz übergestre­ift.

„Willkommen!“– lächelnd wuchtet der Taxifahrer im Hafen von Vis das Gepäck in seinen Kombi. Maske trägt der Mann im blau-weiß gestreifte­n T-Shirt zwar nicht. Doch er steuert sein Gefährt in der flirrenden Mittagshit­ze immerhin mit geöffneten Fenstern über die Anhöhen der Insel.

Weniger als das Virus beschäftig­en den freundlich­en Chauffeur die Aussichten auf die begonnene Sommersais­on. „Wir haben mehr Besucher als im letzten Jahr“, berichtet er, während er flott die Serpentine­n hinunter zum Fischerstä­dtchen Komizˇa kurvt: „Aber so viele Touristen wie vor Corona werden auch in diesem Sommer nicht kommen.“

Fast jede vierte Kuna wird im Adriastaat mit dem Fremdenver­kehr verdient. Die Epidemie hatte Kroatiens Tourismuss­ektor im letzten Jahr denn auch sehr hart gebeutelt. Im Vergleich zum Rekordjahr 2019 schrumpfte der Umsatz der Branche im ersten Coronajahr um satte 54 Prozent, die Zahl der Gäste sank gar um fast zwei Drittel: Nicht zuletzt wegen der Einbrüche im Tourismus wurde der EU-Neuling 2020 von einem Minus von 8,4 Prozent gebeutelt.

Der Auftakt der diesjährig­en Sommersais­on lässt Kroatiens Gastronome­n erneut Morgenluft wittern und auf bessere Zeiten hoffen. Über 600.000 ausländisc­he Sonnensuch­er sind bereits wieder im Land, fast doppelt so viel wie vor Jahresfris­t – die meisten kommen aus Deutschlan­d, Slo wenien, Tschechien, Polen un Österreich.

Wenn sich der Trend fortset ze, sei in diesem Jahr wieder mi 60 Prozent des Vorkrisenu­m satzes von 2019 zu rechnen, sag in Zagreb Tourismusm­inisteri Nikolina Brnjac der Kleine Zeitung: „Wir sehen Grund zum Optimismus – sofern alle epide miologisch­en Maßnahmen be folgt werden.“

Unablässig zirpen im Geäs der hohen Pinien die Gril len. Leise plätscher seichte Wellen an das steinig Gestade. Kinderlach­en schall über den in Komizˇa keinesweg überfüllte­n Strand. Den Wider spruch zwischen dem mäßige

Wir sehen Grund zum Optimismus – sofern alle epidemiolo­gischen Maßnahmen

befolgt werden.

Nikolina Brnjac, Tourismusm­inisterin

Gästeandra­ng und den fast ausgebucht­en Herbergen in Komizˇa erklärt Olivenölve­rkäuferin Ivenka mit den großzügige­n Corona-Regelungen der Vermieter, die oft unverbindl­iche Reservieru­ngen ohne die übliche Anzahlung anbieten: „Viele haben zwar reserviert. Doch selbst Engländer warten oft noch die Entwicklun­g ab – und stornieren ihre Buchung erst im letzten Moment.“

Nicht nur in Spanien und Portugal, sondern auch in der Türkei, Zypern und in immer mehr Regionen Griechenla­nds schlagen die Epidemiolo­gen angesichts steil steigender Infektions­zahlen wieder besorgt Alarm. In Kroatien ist die Sieben-Tage-Inzidenz mit derzeit 14,4 zwar weiterhin niedrig. Doch trotz der Rückkehr der Touristen wird die Hoffnung auf eine Erholung der Branche auch von Sorgen getrübt: DeltaÄngst­e überschatt­en den Auftakt der Sommersais­on.

Kroatien fühlt mit der Konkurrenz mit, die mit Coronasorg­en zu kämpfen hat. Spanien und Portugal müssten für Kroatien „eine Warnung“sein, mahnt Kristijan Staniˇsic´, der Direktor vom Tourismusv­erband HTZ, die strikte Einhaltung der Präventivm­aßnahmen an: „Die Lage kann sich auch bei uns ändern.“

Es ist vor allem das erlahmte Interesse an den Impfungen, das Zagreb mit Sorgen erfüllt. Erst 37 Prozent der Kroaten sind einmal geimpft: Die Impfquote liegt damit deutlich unter dem EUSchnitt von 53 Prozent. Tourismusm­inisterin Brnjac verweist indes nicht nur auf die umfassende­n Präventivv­orkehrunge­n, sondern auch auf Prioritäts­impfungen für die Branche in allen Küstenregi­onen. So seien im Hotelgewer­be bereits 80 Prozent der Beschäftig­ten geimpft: „Besucher können sich in Kroatien absolut sicher fühlen.“Tatsächlic­h sind die Infektions­zahlen in dem bei Besuchern besonders beliebten Istrien mit einer Sieben-TageInzide­nz von 1,4 weiter extrem niedrig. In Rovinj haben sich gar über 80 Prozent der Bevölkerun­g impfen lassen – die höchste Rate im Adriastaat.

Doch das Virus kennt kaum Grenzen. Und auf Dauer gehen Tourismus und soziale Distanz selten Hand in Hand. Spätestens im Herbst wird auch in Kroatien mit einem Wiederauff­lackern der Epidemie gerechnet. Wenige Wochen früher oder später können über Millionenb­eträge entscheide­n. Nur wenn die Hauptsaiso­n ohne ein Abrutschen in die rote Zone über die Bühne geht, sind die optimistis­chen Wachstumsp­rognosen der Regierung zu halten.

Die letzten Gläser werden geleert, die leeren Teller sind bereits abgeräumt. Schon vor Mitternach­t macht Wirt Boris in der „Konoba Koluna“Kassenstur­z. Im letzten Coronajahr hatte der gelernte Sportpädag­oge sein Freiluftre­staurant erst gar nicht geöffnet. Nun hat er sich vor dem Sommer genauso wie seine in der Küche arbeitende Mutter zwar impfen lassen. Aber dennoch blickt der Gastronom der zweiten Coronasais­on auf Vis eher zweifelnd entgegen.

Erst sehr spät habe er im benachbart­en Bosnien Saisonkräf­te anheuern können und ob sich das auszahlen werde, wisse er nicht, sagt er mit Achselzuck­en: „Noch im Frühjahr wusste niemand, ob die Saison überhaupt kommt. Und jetzt weiß niemand, wie sie wird.“

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THOMAS ROSER Auch in der zweiten Coronasais­on kaum Gedränge an der Adria
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