Nach schwerem Unfall: Warum Junge am Steuer genauso gefährlich sind wie betagte Lenker.
Ein 86-Jähriger verursachte einen schweren Verkehrsunfall. Allgemeine Beschränkungen sind laut Experten aber nicht sinnvoll.
Am Sonntag krachte ein 86-Jähriger mit seinem Pkw aus noch ungeklärter Ursache in einen Marktstand vor dem Chorherren-Stift in St. Florian nahe Linz. Insgesamt wurden bei dem Unglück zwölf Personen verletzt. Zehn mussten ins Spital, fünf von ihnen erlitten schwere Blessuren. Eine Frau wurde vom Auto überrollt und musste anschließend notoperiert werden. Sie schwebt in Lebensgefahr. Rettungskräfte waren schnell vor Ort, die Erstversorgung der Verletzten war aber auch deshalb rasch gewährleistet, weil zuvor beim Gottesdienst zufällig drei Mediziner anwesend waren.
Zur Unfallursache kann die Polizei aktuell nur Mutmaßungen anstellen. Weil unter den Verletzten auch der Lenker ist, konnte dieser bisher noch nicht einvernommen werden. „Das kann auch noch länger so bleiben“, erklärt Dominik Poperahatzky von der Polizei-Dienststelle in St. Florian. Die Polizei geht einstweilen davon aus, dass der Lenker die Pedale verwechselt haben könnte. „Alkohol war jedenfalls nicht im Spiel“, sagt Poperahatzky.
Der 86-Jährige ist nicht der erste betagtere Lenker, der einen Unfall verursacht. Verkehrsexperte Klaus Robatsch vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) kennt die Problematik natürlich, spricht sich aber gegen gesetzliche Maßnahmen für Kraftfahrzeuglenker ab einem gewissen Alter aus. „Bewusstseinsbildung halten wir hier für sinnvoller. Auch, weil nicht nur ältere Verkehrsteilnehmer ein höheres Unfallrisiko haben, sondern auch die ganz Jungen“, sagt Robatsch. In der Gruppe der 27- bis 80-Jährigen herrsche ein ähnliches Unfallrisiko.
Bei den 82- bis 86-Jäh rigen ist dieses schon doppel so hoch – wie auch in der Grup pe der 22- bis 26-Jährigen. Be über 86-Jährigen und Lenkern die jünger als 22 Jahre alt sind steigt das Unfallrisiko bereit um das Achtfache.
Während Fahranfänger zu mindest eine dreijährige Probe zeit absolvieren müssen, gibt e bei vergleichsweise alten Len kern keine Einschränkungen Robatsch entgegnet aber, das die Älteren ihre Defizite im Straßenverkehr viel besse kompensieren könnten: „Viel passen ihr Tempo an oder fah ren nicht mehr in der Nacht. Senioren, die ihre Fähigkeite vollkommen überschätzen un
damit zu einer Gefahr im Straßenverkehr werden, seien „Einzelfälle“.
Sollte der Verdacht einer Gefährdung vorliegen, bleibt letztlich nur der Weg zum Amtsarzt. Wenn dieser Verkehrsuntüchtigkeit feststellt, ist der Führerschein weg – ein Hemmschuh für potenziell Betroffene. „Deshalb bieten wir Workshops an, in denen Ältere auch gemeinsam über ihre Erfahrungen und Probleme sprechen können.“Das steigere einerseits das Bewusstsein für entsprechende Problemfelder und erhöhe auch die Reflexionsbereitschaft bei Betroffenen. Im Zuge der KfVInitiative „Bewusst.Sicher.Werkstatt
– Verkehrskompetenz für Senioren“finden zweistündige Kurse statt, in denen sich ältere Autofahrerinnen und Autofahrer freiwillig fit halten können – mit Expertentipps, individuellen Übungen zur Selbsteinschätzung oder auch Erfahrungsaustausch.
„Studien zeigen außerdem, dass die Unfallzahlen in europäischen Ländern mit Altersbeschränkungen und Gesundheitschecks im Straßenverkehr nicht geringer sind“, ergänzt der Experte Robatsch. „Wir sind eine Verkehrssicherheitsorganisation, wir würden die Checks fordern, wenn sie tatsächlich etwas bringen würden.“