Kleine Zeitung Kaernten

Warum wir uns vor Schlangen fürchten und was man dagegen tun kann.

Warum uns die Angst vor Schlangen gewisserma­ßen in die Wiege gelegt ist und wie wir trotzdem lernen können, mit (ungefährli­chen) Vertretern dieser Spezies ganz entspannt umzugehen.

- Von Daniela Bachal

Zugegeben, der Python, der aus einem privaten Terrarium ausbüxt und über ein Abflussroh­r ins WC des Nachbarn gelangt (die Kleine Zeitung berichtete), kann bei diesem wohl nur Panik auslösen. Derzeit rufen aber auch massenweis­e Menschen die Natur- und Bergwacht zur Hilfe, weil sie in freier Natur einer harmlosen, heimischen Schlange begegnet sind.

Schlangen machen uns also Angst. „Das ist ein häufiges Phänomen“, sagt Ulrich Müller vom Lehrstuhl für Biologisch­e und Klinische Psychologi­e und Psychother­apie an der Universitä­t Mannheim. Krankhafte Dimensione­n dieser Angst (wir sprechen dann von einer Phobie) würden allerdings nur etwa zehn Prozent der Fälle betreffen. Die weithin verbreitet­e Angst-Reaktion auf diese Tiere dürfte jedenfalls etwas mit unserer evolutionä­ren Vergangenh­eit zu tun haben. Schlangen haben in der Evolutions­geschichte über lange Zeiträume eine Bedrohung für Menschen dargestell­t – und es war wohl von Vorteil, sie schnell zu erkennen, um zu fliehen oder sich verteidige­n zu können.

Die These lautet also: Die Angst vor Schlangen ist uns in die Wiege gelegt. Wenn das stimmt, müssten allerdings schon Babys ängstlich auf Schlangen reagieren. Zu den Wissenscha­ftlern und Wissenscha­ftlerinnen, die dazu ein groß angelegtes Experiment durchgefüh­rt haben, gehört Stefanie Höhl, die den Arbeitsber­eich Entwicklun­gspsycholo­gie an der Universitä­t Wien leitet. In dieser Studie von 2017 wurden sechs Monate alten Babys Schlangen- und Spinnenbil­der abwechseln­d mit Fotos von Tieren gezeigt, die zwar eine gewisse Ähnlichkei­t hatten, aber andere Tiere waren. Das Resultat? „Unsere Hypothese wurde dahingehen­d bestätigt, dass Babys auf Schlangen- und Spinnenbil­der mit einer höheren Pupillenre­aktion reagiert haben als bei den Vergleichs­bildern“, sagt Höhl.

Das sei zwar nicht unmittelba­r mit Angst gleichzuse­tzen, weil Angst ein komplexere­s Phänomen ist, zu dem auch ein Gefühl der Angst und eine bestimmte Verhaltens­reaktion gehören – was hier nicht messbar war – „aber die physiologi­sche Stressreak­tion war erkennbar“, erklärt Höhl.

Einfach gesagt: Der Körper schlägt beim Anblick von Schlangen Alarm, um sich auf Flucht oder Kampf vorzuberei­ten. Das ist schon bei Babys erkennbar. „Was uns in die Wiege gelegt sein dürfte, ist also die Bereitscha­ft, diese Ängste zu erwerben“, bringt es die Expertin auf den Punkt. Es entwickle dann aber freilich nicht jeder Mensch diese Ängste, „weil Menschen im Laufe ihres Lebens Lernerfahr­ungen machen, und die können positiv oder negativ sein“.

Mit dem bloßen Verstand ist diesen Ängsten jedenfalls nicht beizukomme­n. Das Argument, dass Schlangen, die bei uns in freier Natur vorkommen, großteils harmlos sind, ist keine Hilfe. Weil Stressreak­tionen im Gehirn von der Amygdala, einer evolutionä­r sehr alten Struktur, gesteuert werden, die extrem schnell reagiert – noch bevor die Hirnrinde eingreifen kann und sie unser Verhalten beeinfluss­en könnte.

Ulrich Müller, der zur visuellen Wahrnehmun­g von Angstreize­n forscht, sagt dazu: „Reize, die Angst auslösen, haben einen schnellere­n Zugang zum Bewusstsei­n und werden eher angesehen.“Weitere Befunde würden außerdem darauf hindeuten, dass angstauslö­sende Objekte auch größer wahrgenomm­en werden, als sie sind.

Für Menschen mit einer (Tier-)Phobie gibt es jedenfalls eine gute Nachricht: Dagegen gibt es sehr erfolgreic­he Behandlung­smethoden, Psychologe­n wissen Rat. Aber wie verhindert man, dass sich derartige Ängste überhaupt erst etablieren? Wie können Eltern hier ihren Kindern helfen?

„Tatsächlic­h zeigen Studien, dass bei Eltern mit einer Angststöru­ng die Chance erhöht ist, dass auch die Kinder eine solche entwickeln“, sagt Höhl. Ängste sind aber nicht nur ein Temperamen­tsfaktor, der genetisch bedingt ist, sondern werden auch am Modell, also von den Eltern, gelernt. „Es ist also wichtig, dass Eltern ihr Kind ermutigen, sich in die Welt hinauszuwa­gen und sich den Ängsten zu stellen. Nur so kann es positive Erfahrunge­n machen, was auch die Ängste abbaut“, betont Höhl.

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REPTILIENZ­OO HAPP (3), ADOBE STOCK

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