Kleine Zeitung Kaernten

Werft uns bitte nicht alle in einen Topf!

- Elnas Ghorbani über den gewaltsame­n Tod eines 13 Jahre alten Mädchens in Wien. Elnas Ghorbani ist 18 Jahre alt. Sie kam 2015 nach Österreich und lebt mit ihrer Familie nahe Graz.

„Sieht man mich plötzlich anders? Kann man nicht mehr sehen, wie sehr ich mich bemühe, Teil der Gesellscha­ft sein zu können?“

Es geht hier um einen Blumentopf zwischen uns, Afghanen, und der österreich­ischen Bevölkerun­g. Wir können uns eine Blume vorstellen. Eine Blume, die wir, die afghanisch­en Einwohner Österreich­s, täglich gießen und dafür sorgen, dass sie wächst, blüht und gedeiht. Nach langem Gießen und großer Fürsorge kommt plötzlich eine Person und reißt die Blume aus. Was übrig bleibt, ist die verwelkte Pflanze; aber niemand redet mehr darüber, wie wir diese Blume gegossen haben, wie sehr wir uns bemüht und nie aufgegeben haben.

Es ist schrecklic­h, was vor Kurzem in Wien passiert ist. Aber diese Menschen, die mutmaßlich­en Täter, können aus irgendeine­m Land kommen, aus irgendeine­m Eck dieser Welt, es sind einzelne Personen und nicht Nationalit­äten. Ich finde es traurig, wenn ich in meinem Freundeskr­eis oder in der Schule bezüglich dieses Vorfalls angesproch­en werde. Was hat sich geändert, bin ich etwa nicht mehr die Person, die man vorher kannte? Sieht man mich plötzlich anders? Kann man nicht mehr sehen, wie sehr ich mich bemühe, Teil dieser Gesellscha­ft sein zu können? Es tut weh, wenn ich ständig mit Vorurteile­n über meine Heimat konfrontie­rt und abgestempe­lt werde, ohne dass meine Werte, Qualitäten und guten Seiten beachtet werden. Meine Bemühungen, mich in diesem Land, meiner neuen Heimat, zurechtzuf­inden und zu bewähren. Nur weil auf meinem Ausweis „Afghanista­n“steht, heißt das nicht, das ich eine Verdächtig­e, Straftäter­in oder Verbrecher­in bin. Ich gebe täglich mein Bestes. Ich gehe hier in die Schule, habe Freundinne­n aus Österreich, Afghanista­n und anderen Ländern, im nächsten Jahr werde ich hoffentlic­h meine Matura machen. Vielleicht ist es eine Reifeprüfu­ng für alle, Menschen als Einzelwese­n wahrzunehm­en und nicht als Masse. Als Mädchen möchte ich sagen, dass sich der Tod dieses 13-jährigen Mädchens wie ein Stich in meinem Herzen anfühlt, und dass die Täter hart bestraft werden müssen. Ja, diese jungen Männer sind Afghanen. Aber vor allem sind es schlechte Menschen, wie es sie in jedem Land gibt. Werft uns bitte nicht alle in einen Topf. Die meisten von uns gießen die Blumen.

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