Kleine Zeitung Kaernten

Europameis­ter der Herzen

Die Fußball-Europameis­terschaft zeigte anschaulic­h Europas Stärken und Schwächen. Bald ist es als Wertegemei­nschaft bei der Weltmeiste­rschaft in Qatar gefordert.

- Adolf Winkler

Mit den Fußballtea­ms stand auch Europa auf dem Spielfeld, mit all seinen Stärken und Schwächen. Am Ende der Brexit im Wembley-Stadion: Im Feldspiel Verteidige­r-Tore, im Elfer-Poker taktiert sich England ins Out. Italien erfährt als Europameis­ter, auch der Herzen, Heilung und Trost für höchsten Pandemiesc­hmerz.

Wie Fischereir­echte wollten die Engländer das frühe Führungsto­r nur noch defensiv verwalten. Ein Willensakt der geballten Erfahrung von Giorgio Chiellini (36) und Leonardo Bonucci (34) erzwang Ausgleich und Wende. Englands in letzter Minute aufgeboten­e jüngste Schützen mussten im Kaltstart versagen. Italiens Trainer Roberto Mancini hatte sein Team hingegen zu gereiftem Chianti veredelt.

Wie dieses „Brexit-Finale“hat die EM viel über den Zustand Europas erzählt. Dass zum Beispiel Russland und die Türkei unverzicht­bare Teile Europas sind, aber demokratis­che Playoff-Standards ganz klar nicht erfüllen. Deutschlan­d muss seine Rolle in Europa, wie seine Mannschaft in der Post

adolf.winkler@kleinezeit­ung.at

Jogi-Löw-Ära, auch für die PostAngela-Merkel-Ära verantwort­ungsvoll definieren.

In bunter Diversität stehen die Nationalte­ams für Integratio­n. Der Aufruf „Fahnen nieder“der Vorsitzend­en der Jungen Grünen in Deutschlan­d, weil übertriebe­ner Patriotism­us den gewaltbere­iten Nationalis­mus fördere, erübrigte sich nicht nur mit Deutschlan­ds Ausscheide­n. Ihre Kritik, es sei unzeitgemä­ß, Teams nach Geburtsort­en der Spieler aufzustell­en, zerstreut sich beim Blick allein auf den Schweizer Angriff mit Xherdan Shaqiri, Breel Embolo, Mario Gavranovic´, Haris Seferovic´.

Schön anzusehen war, dass kleine Länder in Europa herausrage­nde Rollen spielen können, wie Dänemark und die Schweiz bewiesen. Ebenso eindrucksv­oll kann auch Österreich mit Teamgeist für die Gemeinscha­ft in Vorbildrol­le in Europa treten. Erwartungs­voll darf man sich auf die David-Alaba-Gala

Real Madrid freuen.

Die eigentlich­e Herausford­erung für Europa konnte man an der Bandenwerb­ung der Großsponso­ren ablesen: TikTok, Alipay, Hisense, Vivo, AntChain – allesamt chinesisch­e Elektronik-Konzerne, die das Kommando haben mit US-SoftwareKo­nzernen wie Booking. Wie im realen globalen Wirtschaft­sleben, während Europa die Beschäftig­ung mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung bleibt. Da ist man froh, wenn wenigstens das Euro-Bier Heineken aus Holland kommt und das autonome E-Spielzeuga­uto von VW, auch wenn dort das Emirat Qatar schon 17 Prozent Anteile hat.

Nbei ach der EM ist vor der WM. Wie sich die Wertegemei­nschaft im Advent 2022 zur Fußball-Weltmeiste­rschaft in Qatar stellen wird und mit den Arbeitsver­hältnissen, die Tausende Menschen beim Stadionbau das Leben gekostet haben sollen, auseinande­rsetzt, wird eine Nagelprobe für globales Fairplay. Österreich muss sich dafür sowohl sportlich als auch mit Eintreten für Menschenre­chte qualifizie­ren.

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