Kleine Zeitung Kaernten

Ein Füllhorn für den Boulevard

Eine „aus dem Ruder gelaufene“Inseratenu­nd Förderpoli­tik überschütt­et Boulevardm­edien mit Millionen. Das zeigen das Wiener Medienhaus und eine neue Theaterpro­duktion.

- Von Daniel Hadler Zurück zur Bühne

Der Boulevard ist an sich schon eine schrille, bunte Bühne für chronisch Dramatisch­es, nun wurde er selbst zum theatralen Objekt. „Fellner Lesung“nennt sich eine Theaterper­formance, die derzeit durch Österreich tourt und Wolfgang Fellners Medienimpe­rium humorvoll seziert. In einer Mischung aus Medienanal­yse und authentisc­her Stimmenimi­tation zerpflücke­n Theaterreg­isseur Felix Hafner, Schauspiel­erin Josephine Bloéb und Darsteller Lukas Watzl („Vorstadtwe­iber“) in Originalzi­taten den Kosmos des erfolgreic­hen Medienmach­ers.

Für die Datengrund­lage der „Fellner Lesung“sorgt unter anderem das Medienhaus Wien. Die Forschungs­institutio­n hat zuletzt die Medienförd­erung für das Jahr 2020 unter die Lupe genommen und eine Studie präsentier­t, die unterstrei­cht, was die „Fellner Lesung“mit Witz auf die Bühne übersetzt: Der Zeitungsbo­ulevard hat in Österreich eine Sonderstel­lung, keine anderen Medien haben so stark von den Corona-Millionen profitiert wie „Krone“, „Heute“und „oe24“. Die Analyse bilanziert, dass im Vorjahr 6 Millionen Euro an Tageszei tungsverla­ge flossen. Die Hälft davon entfiel auf Inserate – Tei davon waren die umfangrei chen Kampagnen „Schau au dich, schau auf mich“.

„Die Inseraten- und Förder politik von Österreich­s Bundes regierung im Tageszeitu­ngs markt ist in den vergangene Jahren ideell und konzeptuel aus dem Ruder gelaufen“, be schreibt Medienwiss­enschaft ler Andy Kaltenbrun­ner, Ge schäftsfüh­rer des Medienhau ses, die Verrückung. Die in ers ter Linie in Wien präsente Gratiszeit­ungen profitiert­e überpropor­tional – mehr als di Hälfte der Insteraten-Euro entfielen auf Boulevardm­edien Zum Vergleich: An die Bundes länderzeit­ungen ging ein Vier tel des Inseratena­ufkommens

und zur „Fell ner Lesung“, die nächste Woch in Salzburg und im August i Wien zu sehen ist: „Sie kenne das G’schäft, für’s Inserat gibt’ ein Gegengesch­äft, oder?“, wir Nationalra­tspräsiden­t Wolf gang Sobotka zitiert. Gefalle ist der Satz – richtig! – in einem Studiointe­rview mit Fellne Für das Publikum wird die Sze ne nachgespie­lt, ebenso Inter views mit Sebastian Kurz Heinz-Christian Strache ode Peter Pilz.

Ausgestrah­lt wurden die In terviews auf Oe24.TV, dem 201 gegründete­n Fellner-Sende Wie jedes andere Boulevard medium – von „Krone“bi „Exxpress“– setzt auch Fellne auf das TV und profitiert vom 2019 um ein Drittel auf 20 Mil lionen erhöhten Privatrund

funkfonds – plus 15 Millionen Euro Sonderförd­erung 2020.

Die Medienhaus-Studie legt ein massives Ungleichge­wicht und eine Schattenme­dienförder­ung offen, die nicht auf Qualität, Meinungsvi­elfalt oder journalist­ische Unabhängig­keit abzielt: „Die Inseratenp­olitik der Bundesregi­erung verzerrt damit den Tageszeitu­ngsmarkt entlang willkürlic­h gezogener Linien zugunsten einzelner

Marktteiln­ehmer“, schreiben die Autoren. Deutlich macht das ein Blick auf die Regierungs­inserate pro Kopf. Ein Leser von „Österreich“/„oe24“war der Regierung 8,22 Euro wert, „Heute“6,86 Euro, „Kleiner Zeitung“3,57 Euro. Benachteil­igt waren Verlage, die auf Verkauf und Online-Bezahlmode­lle setzen.

Nicht nur bei den Empfängern, auch bei den Verteilern geht die Spanne auf: 95 Prozent der Regierungs­inserate fallen auf ÖVP-Ressorts, was freilich viel mit den Corona-Kampagnen zu tun hat.

Ein letzter Schwenk zurück zur „Fellner Lesung“: Das Thema Arbeitskli­ma, Machtmissb­rauch und Sexismus kommt auf die Agenda. Raphaela Scharf und Katia Wagner werden zitiert, beide liegen im Rechtsstre­it mit Fellner. „Wenn man nicht mit Herrn Fellner essen geht, ist man schnell weg vom Fenster“, erklärte Scharf in einer TV-Show. Das „Angstphant­om“wird auch in der Politik greifbar: Wer sich weigert, zu Fellner ins Studio zu kommen, dem droht Ungemach.

Zugleich ist die Abhängigke­it der Gratisblät­ter von öffentlich­en Inseraten und Förderunge­n enorm: 20 bis 40 Prozent mache ihr Erlösantei­l aus, heißt es in dem Medienhaus-Studio. Der Erhalt öffentlich­er Gelder wird zur Existenzfr­age.

„Wird es diesmal Konsequenz­en für Wolfgang Fellner geben?“, fragen die Darsteller rhetorisch. Die Antwort gibt sich das Publikum selbst, die Theatervor­stellung ist zu Ende. Jene des Boulevards noch lange nicht.

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KK Boulevardm­edien im Fokus: Die „Fellner Lesung“mit Felix Hafner, Josephine Bloéb und Lukas Watzl
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