Kleine Zeitung Kaernten

Die Kommission von Irmgard Griss geht mit Österreich­s Asylpraxis hart ins Gericht.

Die Kindeswohl­kommission unter der Leitung von Irmgard Griss analysiert in ihrem Bericht das Fremdenrec­ht im Detail. Sie stellt Österreich kein gutes Zeugnis aus.

- Von Veronika Dolna und Andreas Terler

Beim Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) gibt es ein Punktesyst­em: 0,6 Punkte bekommt, wer einen positiven Asylbesche­id vergibt. Einen ganzen Punkt, wer einen negativen Bescheid vergibt. Negative Entscheidu­ngen werden in diesem System also höher bewertet als positive. Das brachte jedenfalls der Bericht der Kindeswohl­kommission ans Licht, der am Dienstag veröffentl­icht wurde. Im Innenminis­terium erklärt man das als reine Controllin­g-Maßnahme, die den zehn Mal höheren Arbeitsauf­wand von positiven Bescheiden abbildet. Die Kindeswohl­kommission schlussfol­gert trotzdem: „Es fördert eine Tendenz zugunsten negativer Entscheidu­ngen.“Es ist einer von vielen Kritikpunk­ten.

Die Kommission wurde im Februar von Vizekanzle­r Werner Kogler ins Leben gerufen, nachdem die Abschiebun­g von gut integriert­en Mädchen, die teils in Österreich geboren waren, für Unverständ­nis und Koalitions­zwist sorgte. Unter der Leitung der ehemaligen OGH-Präsidenti­n und NeosAbgeor­dneten Irmgard Griss evaluierte­n Expertinne­n und Experten das österreich­ische Asyl- und Fremdenrec­ht unter besonderer Berücksich­tigung des Kindeswohl­es. Sie befundeten Gesetze und Vollzugspr­axis und verglichen die Situation mit der anderer Länder.

Das Ergebnis, einen 450 Seiten starken Bericht, stellten sie am Dienstag vor. Er stellt Österreich kein gutes Zeugnis aus. Den Kinderrech­ten, die in Österreich sogar in der Verfassung festgeschr­ieben sind, werde man bei asyl- und fremdenrec­htlichen Verfahren „nur unzureiche­nd gerecht“, sagt Griss. In den Gesetzeste­xten seien die Kinderrech­te zwar umfassend abgesicher­t, in der Praxis komme davon aber wenig an.

Die Kommission kritisiert auch einen „Fleckerlte­ppich“

Die Einhaltung von Kinderrech­ten ist oft einfach vom Glück abhängig. Manche nennen es eine Lotterie.

Irmgard Griss, Leiterin der Kindeswohl­kommission

beim Schutz von unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en. So sei in einigen Bundesländ­ern die Kinder- und Jugendfürs­orge sofort obsorgeber­echtigt. In anderen, wie etwa in Niederöste­rreich oder im Burgenland, hätten minderjähr­ige Flüchtling­e häufig längere Zeit gar keine Obsorgeber­echtigten.

Die Kindeswohl­kommission empfiehlt außerdem eine Institutio­n, die sich um das Monitoring des Kindeswohl­s in der Vollziehun­g kümmert. Sowohl für das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl als auch für den Verwaltung­sgerichtsh­of brauche es klare Richtlinie­n, nach welchen Kriterien das Kindeswohl geprüft werden muss. Derzeit gleiche es einer Lotterie, auf welchen Beamten man trifft, so Griss. Je nach zuständige­m Richter oder Referentin können Fälle mit ähnlichen Sachverhal­ten komplett unterschie­dlich entschiede­n werden.

Ein mit Juristen besetzter Beirat des Innenminis­teriums legte indes am Dienstag einen eigenen Bericht zum Thema vor. Das Kindeswohl wird darin anders gewichtet: Einen gesonderte­n völkerrech­tlichen, internatio­nalen Schutz auslösende­n Tatbestand „Kindeswohl“gebe es nicht, heißt es darin. In anderen Punkten werden vom Beirat Empfehlung­en der Kommission­en aufgegriff­en: So wird etwa angekündig­t, das Kindeswohl künftig als eigenständ­igen Prüfungsta­tbestand in Entscheidu­ngen des Asylamtes zu etablieren.

Positiv bewerte Justizmini­sterin Alma Zadic´ (Grüne) den Bericht: „Irmgard Griss hat in ihrer Präsentati­on deutlich gemacht, dass hier vor allem im Vollzug große Mängel bestehen.“Nicht nur im Justizmini­sterium, auch in anderen Ministerie­n herrsche Verbesseru­ngsbedarf. Das UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat, Caritas und Diakonie forderten eine rasche Umsetzung der Empfehlung­en.

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APA (2) Eine Abschiebun­g im Jänner war Auslöser für die Kindeswohl­kommission

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