Filmischer Liebesbrief an den Journalismus
Wes Anderson schweift in „The French Dispatch“durch eine Magazin-Redaktion.
Normalerweise reicht eine Limousine, um die größten Stars eines Films am roten Teppich in Cannes vorzufahren. Manchmal zwei, höchstens drei. Regisseur Wes Anderson hat aber für seinen Wettbewerbsbeitrag „The French Dispatch“so viele Stars zusammengetrommelt, dass alle zusammen in einem gold-weißen Partybus gekommen sind. Bill Murray saß vorn und war als erster zu sehen. Als der Bus anhielt, stiegen noch ein Dutzend weiterer bekannter Gesichter aus: Neben Anderson waren das unter anderem Owen Wilson, Adrien Brody, Benicio del Toro, Jarvis Cocker, Tilda Swinton und Timothée Chalamet.
Dass Léa Seydoux wegen einer Corona-Infektion nicht anreisen konnte, fiel da gar nicht auf – genauso wie die Tatsache, dass in „The French Dispatch“noch weitere Stars von Christoph Waltz bis Frances
McDormand in mehr oder weniger großen Rollen aufkreuzen. Der texanische Regisseur verfilmt schließlich eine Ausgabe von „The French Dispatch“, einer fiktiven Wochenbeilage in Kansas, die aber von Amerikanern in Frankreich produziert wird. Von Politik bis Kulinarik schweift der 52jährige Anderson durch die Ressorts und inszeniert all das in seiner ganz eigenen exzentrischen Handschrift. Und doch, so amüsant und visuell genial das streckenweise wieder ist, schafft dieser Stil per se eine Distanz zum Publikum und läuft, wenn die Ideen stellenweise nicht in so hoher Taktung kommen, zwischenzeitlich etwas leer. Ein außergewöhnlicher Liebesbrief an den Journalismus und das gedruckte Magazin ist „The French Dispatch“trotzdem.
Ein surrealer Fiebertraum von einem Film, erzählerisch und über verschiedene Zeitebenen mit der Hauptfigur, dem Comiczeichner Petrov, frei umherstreifend, ist der atmosphärische „Petruv’s Flu“vom russischen Regisseur Kirill Serebrennikov. Der Russe, der wegen einer Bewährungsstrafe das Land nicht verlassen darf, konnte wie schon zuletzt beim gefeierten Jugend-Musiker-Porträt „Leto“nicht persönlich nach Cannes kommen. Eine Pressekonferenz gab er trotzdem – er ließ sich über einen Bildschirm aufs Podium zuschalten.