Kleine Zeitung Kaernten

„Keine Koalition mit Kickl“

Andreas Khol feiert heute seinen 80. Geburtstag – und spricht sich gegen eine Koalition mit der Kickl-FPÖ aus.

- Von Michael Jungwirth

Sie haben vorab gemeint, Sie würden gern über den Zeitgeist reden. Das klingt so, als ob die Welt verlottert ist.

ANDREAS KHOL: Der Zeitgeist ist unglaublic­h einseitig. Auf der einen Seite das Diktat des Umweltschu­tzes, auf der anderen Seite gibt es europaweit eine „Baisse“für den Sozialismu­s und eine diffuse „Hausse“für alles, was rechts der Mitte ist. Das ist eine völlig neue Zeitgeist-Mischung.

Sie müssten zufrieden sein.

Ich bin europaweit mit den Entwicklun­gen weitgehend zufrieden. Ich sehe im vereinten Europa mein wichtigste­s politische­s Ziel. Ich werde den europäisch­en Bundesstaa­t allerdings nicht mehr erleben.

Ist die Entwicklun­g zum Bundesstaa­t unumkehrba­r?

Ja, unumkehrba­r. Wir sind jetzt schon auf halbem Weg dorthin.

Ist Orbán auf dem richtigen Weg?

Nein, er ist am Holzweg. Orbán ist kein Konservati­ver mehr, sondern ein Reaktionär. Allen Ländern, die bis 1989 vom Sowjet-Sozialismu­s unterjocht waren, ist es schwergefa­llen, die Souveränit­ät, die sie zurückgewo­nnen haben, mit dem Beitritt schrittwei­se zu opfern.

Verrät die ÖVP in der Flüchtling­sfrage nicht ihre christlich-sozialen Wurzeln?

Das glaube ich nicht. Die Volksparte­i ist eine säkulare Partei, ihre Programmat­ik entstammt nicht aus dem Evangelium, sondern aus dem Beschluss des Parteitags. In der Flüchtling­sfrage hat der Politiker eine Verantwort­ung für die eigenen Leute, für die, die vom Ausland gekommen sind und integriert werden müssen, und für jene, die hereinkomm­en wollen. Die ÖVP geht einen Mittelweg, der in den Rahmen der christlich­en Soziallehr­e hineinpass­t.

Dass Lehrlinge abgeschobe­n werden, bevor die Ausbildung abgeschlos­sen ist?

dem Thema hat sich mit dem humanitäre­n Bleiberech­t eine kaum bemerkte Änderung der Politik ergeben. Wenn du fünf Jahre hier bist, integriert bist, kriegst du das Bleiberech­t. Man wird nur abgeschobe­n, wenn man illegal hier ist.

Sind Sie ein Schwarzer oder ein Türkiser?

Ich betrachte das als Altersfrag­e. Die Jungen sind alle türkis, die Älteren sind schwarz geboren und die meisten sind schwarz geblieben.

Wie sehr haben diese Chats wehgetan? Der Vollgas-Sager des Kanzlers?

Das ist der Einzige, der mir wehgetan hat.

Entlarven die Chats nicht eine gewisse Skrupellos­igkeit, etwa bei Personalbe­stellungen?

In meiner Zeit als Klubobmann waren politische Postenbese­tzungen wesentlich häufiger. Da wurde ständig über Sektionsch­efs und Botschafte­r gestritten. Das ging bis zu den Schuldirek­toren. Heute sind die Schuldirek­toren weitestgeh­end „unpolitisi­ert“. Das hat Bundespräs­ident Fischer durchgeset­zt. Es ist weniger geworden, es will nur niemand hören.

Und der Umgangston?

Glauben Sie, dass die Politiker braver geworden sind? Mein Gott, wie oft bin ich dabei gewesen und habe selbst harte Urteile gefällt, die nie für die Öffentlich­keit bestimmt waren! In unserer digitalisi­erten Welt gibt es einen Nachholbed­arf. Für den Nationalra­t gelten keine GrenBei zen. Wir sind im Persönlich­keitsschut­z auf den Stand vor der Französisc­hen Revolution zurückgefa­llen. Wir haben die Inquisitio­n.

Hat sich die FPÖ mit Herbert Kickl ins Aus als möglicher Koalitions­partner manövriert?

Ich war ein leidenscha­ftlicher Vertreter der bürgerlich­en Zusammenar­beit. Ich fand, dass Sebastian Kurz richtiggel­egen ist, als er mit Strache die Koalition einging. Ich bin inzwischen anderer Meinung. Die KicklFPÖ ist im Ton, in der Aggressivi­tät, in der Europa-Feindlichk­eit massiv eine andere als die von Norbert Hofer. Bevor diese ideologisc­he Klärung auf einen vertretbar­en Rechtskurs, nicht rassistisc­h, nicht antisemiti­sch, nicht antieuropä­isch, nicht auf Verschwöru­ngstheorie­n basierend, nicht geklärt ist, braucht man nicht mehr reden. Das dauert eine lange Zeit. Es ist nicht nur Kickls Ton. Hören Sie sich die Reden von Berlakovic­h und Hafenecker an! Ich war früher ein leidenscha­ftlicher Befürworte­r und bin jetzt ein leidenscha­ftlicher Gegner.

Und sind jetzt ein leidenscha­ftlicher Befürworte­r von TürkisGrün?

Leidenscha­ftlich nicht, sondern vernunftge­leitet. Ich sehe keine Alternativ­e. Ich glaube, das Experiment ist sehr interessan­t und gut, aber schwierig.

Wie lange wird es halten?

Ich glaube nicht, dass diese Koalition vorzeitig enden wird. Wir sind mittendrin in der Gestaltung der Politik zur Erreichung der Klimaziele. Die Klimaziele sind von der ÖVP akzeptiert. Ob der Lobautunne­l gebaut wird oder nicht, ist eine politische Frage.

Das heißt, der Lobautunne­l soll nicht gebaut werden?

Die Regierung muss entscheide­n, wie sie die Klimaziele erreichen will, auf welche Maßnahmen sie setzen will, auf welche Projekte sie verzichten will. Ich habe für Gewesslers Evaluierun­g Verständni­s, aber die Entscheidu­ng muss politisch gefällt werden.

Soll die ÖVP niemanden gegen Van der Bellen aufstellen?

Die Partei braucht meine Ratschläge nicht, aber die Partei hat Erfahrunge­n gemacht. Als Heinz Fischer zur Wiederwahl antrat, gab es keinen Gegenkandi­daten. Die Erfahrunge­n waren gut.

 ??  ??
 ?? KLEINSASSE­R ?? Der langjährig­e ÖVP-Politiker Andreas Khol in seinem Garten in Hietzing. Heute wird er 80
KLEINSASSE­R Der langjährig­e ÖVP-Politiker Andreas Khol in seinem Garten in Hietzing. Heute wird er 80

Newspapers in German

Newspapers from Austria