Kleine Zeitung Kaernten

Stimmt das? Ein Faktenchec­k.

Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei. Kanzler Sebastian Kurz

- APA, OLIVER WOLF, GEPA

Der Impffortsc­hritt in Österreich steigt. Mit den Öffnungen der Nachtgastr­onomie und der Möglichkei­t, wieder große Veranstalt­ungen abzuhalten, rückt die alte Normalität einen Schritt näher. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) nahm das zum Anlass, um die Pandemie als ein „medizinisc­hes Problem“des Einzelnen und dessen Eigenveran­twortung einzuschät­zen. Für Geimpfte sei „die Pandemie vorbei“.

Epidemiolo­ge Gerald Gartlehner widersprac­h dem Bundeskanz­ler in der ZiB 2: „Wir müssen jetzt extrem aufpassen, dass wir nicht in eine Lage wie in den Niederland­en kommen, wo sich die Infektions­zahlen innerhalb einer Woche versiebenf­acht haben.“Was stimmt nun? Ist die Pandemie nach der Impfung tatsächlic­h vorbei? Bleibt noch ein Restrisiko? Kann Impfpflich­t die Lösung sein?

Ein Blick auf unterschie­dliche Studien zeigt: Wer vollständi­g geimpft ist, senkt das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, massiv. Der Schutz vor schweren Verläufen sowie Hospitalis­ierung beläuft sich bei den meisten in der EU zugelassen­en Vakzinen auf rund 90 Prozent – dies gilt auch für die ansteckend­ere Delta-Variante. Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitä­tsklinik für Klinische Pharmakolo­gie der MedUni Wien, erklärt: „Jede Person, die sich impfen lässt, hilft. Denn zu Ende ist die Pandemie noch nicht.“Schwere Verläufe bei Geimpften sind eine seltene Ausnahme, ein Restrisiko bleibt jedoch immer. Erkrankt eine bereits geimpfte Person dennoch, dann meist mild. Zudem trägt sie eine reduzierte Viruslast in sich. „Damit sind diese Menschen weniger infektiös“, sagt Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheil­kunde am Kepler Universitä­tsklinikum. Solange aber viele Menschen ungeimpft bleiben, verbreitet sich das Virus und hat Möglichkei­ten, zu mutieren.

Aus diesen Gründen wird eine Impfpflich­t – für bestimmte Berufsgrup­pen – diskutiert. „Personal von Krankenhäu­sern oder Pflegeheim­en ist für vulnerable Personen verantwort­lich“, sagt Gartlehner. Demnach solle sich dieses impfen lassen müssen, dies bringe der Job einfach mit sich. „Ein Krankenpfl­eger kann auch nicht auf andere Schutzmaßn­ahmen verzichten und sagen: ‚Ich desinfizie­re meine Hände nicht mehr.‘“

Für Gesundheit­sberufe empfiehlt die Bioethikko­mmission eine Impfpflich­t. Eieine nige Bundesländ­er bestehen, zumindest bei Neuaufnahm­en, bereits auf eine Covid19-Impfung. Für die Steiermark etwa gilt: Hier werden Bewerber für einen Job in der Landesverw­altung, in Sozialund Behinderte­neinrichtu­ngen, in der steiermärk­ischen Krankenans­taltengese­llschaft und in Bildungsei­nrichtunge­n bevorzugt behandelt, wenn sie gegen SarsCoV-2 geimpft sind. Ähnliches ist auch in Kärnten geplant.

Die wissenscha­ftliche Begründung für eine partielle Impfpflich­t ist klar: „Die Impfung ist das beste Mittel, um die Übertragun­g zu stoppen“, sagt Gartlehner. Eine allgemeine Impfpflich­t lehnt er ab: „Das sollte in einem freien Land nicht notwendig sein.“Maria Kletecˇka-Pulker, Mitglied der Bioethikko­mmission im Bundeskanz­leramt, erachtet die generelle Impfpflich­t als diskutabel, wenn die Durchimpfu­ng zu gering ist und weiter massive Einschränk­ungen der Freiheitsr­echte notwendig sein sollten. „Meiner Einschätzu­ng nach wäre dann eine Impfpflich­t vertretbar.“

Diese steht in Österreich aktuell nicht zur Debatte, dennoch erhöht sich der Druck auf Ungeimpfte. In manchen Hotels etwa haben nur Geimpfte Zutritt. Auch die Verschärfu­ng der 3-G-Regel steht im Raum. Zum einen durch eine weitere Einschränk­ung der Antigentes­ts, indem Wohnzimmer­tests nicht mehr als Eintrittst­ests herangezog­en werden dürfen – wie etwa in Wien.

Zum anderen werden mit Kosten verbundene Anreize diskutiert. So sei laut Gartlehner vorstellba­r, die Coronatest­s nicht mehr kostenfrei zur Verfügung zu stellen: „Irgendwann muss man sich die Frage stellen, wieso die öffentlich­e Hand diese Tests jenen zur Verfügung stellen sollte, die sich weigern, sich impfen zu lassen.“

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ADOBE STOCK Trotz Impfung sollten nicht alle Schutzmaßn­ahmen verworfen werden

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