Kleine Zeitung Kaernten

Laschets Lachen

Ein Moment der Selbstverg­essenheit könnte den CDU-Kandidaten das Kanzleramt kosten. Doch die Entrüstung über ihn lenkt von wichtigere­n Fragen ab.

- Stefan Winkler

Wo die Natur außer Kontrolle gerät und in großer Zahl Menschen zu Schaden kommen, beginnt für die Politik oft eine schwierige Gratwander­ung. Sie muss Mitgefühl zeigen und Tatkraft und den Betroffene­n durch ihre bloße Anwesenhei­t das Gefühl vermitteln, dass sie in ihrem Elend nicht alleingela­ssen werden.

Drängeln sich Politikeri­nnen und Politiker bei Unglücken jedoch übereifrig ins Bild, wird ihnen das schnell als billige Selbstinsz­enierung und heuchleris­ches Kalkül ausgelegt. Scheuen sie dagegen die Öffentlich­keit und meinen, selbst ein Land im Ausnahmezu­stand lasse sich vom Schreibtis­ch aus regieren, setzten sie sich dem Vorwurf der Kälte, der Gleichgült­igkeit und Herzlosigk­eit aus.

Es geht also darum, die richtige Balance zwischen Präsenz und Zurückhalt­ung, zwischen Mitgefühl und profession­ellem Krisenmana­gement zu finden.

Das ist nicht immer leicht. Aber es kann über Wohl und Wehe von politische­n Karrieren entscheide­n. Unvergesse­n bleibt etwa, wie die damalige steirische Landeshaup­tfrau Waltraud Klasnic 1998 noch in

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der Nacht des Grubenungl­ücks nach Lassing eilte und dort, selber sichtlich erschütter­t, mit traumwandl­erischer Sicherheit genau die richtigen Worte fand.

Auch Gerhard Schröder bewies, als mitten im Wahlkampf 2002 die Elbe über die Ufer trat, als deutscher Kanzler „Leadership in Gummistief­eln“. Sein aussichtsr­eicher Herausford­erer Edmund Stoiber hielt das für einen niederträc­htigen Marketings­chmäh, blieb daheim in München und verlor die Wahl.

Dass es mit einer wetterfest­en Montur allein nicht getan ist, hatte davor der damalige SPÖKanzler Viktor Klima erfahren müssen. Seine läppischen Versuche, 1997 mit einem Eimer im überschwem­mten Hirtenberg den Wasserpege­l zu senken, gerieten zum PR-Desaster. Denn, was in solchen Situatione­n letztlich zählt, ist Authentizi­tät.

Welcher Armin Laschet der authentisc­here ist – der Landesvate­r, der bei der Unwetterka­tastrophe in Nordrhein-Westfalen unermüdlic­h im Einsatz war, oder der CDU-Kanzlerkan­didat, der während einer Ansprache des deutschen Bundespräs­identen im Krisengebi­et in einem Anflug von Selbstverg­essenheit ungebührli­ch feixte –, darüber wird in Deutschlan­d jetzt entrüstet debattiert.

Die Wohlfahrts­ausschüsse in den sozialen und diversen anderen Medien haben ihr vernichten­des Urteil gefällt. Eh klar. Wer aus der Empörung über die Fehltritte anderer sein Gefühl moralische­r Überlegenh­eit bezieht, lässt sich so ein saftiges Filetstück nicht entgehen. ie Flut hat den deutschen Wahlkampf erreicht. Wird sie Anlass für die überfällig­e Debatte geben, wie Deutschlan­d klimapolit­ische Akzente setzen kann, ohne wirtschaft­lich gegen die Wand zu fahren? Oder erschöpft sich der Kampf um das Kanzleramt wie bisher im öden Kandidaten­bashing, wobei statt Baerbock nun halt Laschet die Prügel bezieht? Die Kraft, den einen oder anderen siegesgewi­ssen Bewerber mit sich zu reißen, hat das Hochwasser auf jeden Fall.

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