Laschets Lachen
Ein Moment der Selbstvergessenheit könnte den CDU-Kandidaten das Kanzleramt kosten. Doch die Entrüstung über ihn lenkt von wichtigeren Fragen ab.
Wo die Natur außer Kontrolle gerät und in großer Zahl Menschen zu Schaden kommen, beginnt für die Politik oft eine schwierige Gratwanderung. Sie muss Mitgefühl zeigen und Tatkraft und den Betroffenen durch ihre bloße Anwesenheit das Gefühl vermitteln, dass sie in ihrem Elend nicht alleingelassen werden.
Drängeln sich Politikerinnen und Politiker bei Unglücken jedoch übereifrig ins Bild, wird ihnen das schnell als billige Selbstinszenierung und heuchlerisches Kalkül ausgelegt. Scheuen sie dagegen die Öffentlichkeit und meinen, selbst ein Land im Ausnahmezustand lasse sich vom Schreibtisch aus regieren, setzten sie sich dem Vorwurf der Kälte, der Gleichgültigkeit und Herzlosigkeit aus.
Es geht also darum, die richtige Balance zwischen Präsenz und Zurückhaltung, zwischen Mitgefühl und professionellem Krisenmanagement zu finden.
Das ist nicht immer leicht. Aber es kann über Wohl und Wehe von politischen Karrieren entscheiden. Unvergessen bleibt etwa, wie die damalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic 1998 noch in
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der Nacht des Grubenunglücks nach Lassing eilte und dort, selber sichtlich erschüttert, mit traumwandlerischer Sicherheit genau die richtigen Worte fand.
Auch Gerhard Schröder bewies, als mitten im Wahlkampf 2002 die Elbe über die Ufer trat, als deutscher Kanzler „Leadership in Gummistiefeln“. Sein aussichtsreicher Herausforderer Edmund Stoiber hielt das für einen niederträchtigen Marketingschmäh, blieb daheim in München und verlor die Wahl.
Dass es mit einer wetterfesten Montur allein nicht getan ist, hatte davor der damalige SPÖKanzler Viktor Klima erfahren müssen. Seine läppischen Versuche, 1997 mit einem Eimer im überschwemmten Hirtenberg den Wasserpegel zu senken, gerieten zum PR-Desaster. Denn, was in solchen Situationen letztlich zählt, ist Authentizität.
Welcher Armin Laschet der authentischere ist – der Landesvater, der bei der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen unermüdlich im Einsatz war, oder der CDU-Kanzlerkandidat, der während einer Ansprache des deutschen Bundespräsidenten im Krisengebiet in einem Anflug von Selbstvergessenheit ungebührlich feixte –, darüber wird in Deutschland jetzt entrüstet debattiert.
Die Wohlfahrtsausschüsse in den sozialen und diversen anderen Medien haben ihr vernichtendes Urteil gefällt. Eh klar. Wer aus der Empörung über die Fehltritte anderer sein Gefühl moralischer Überlegenheit bezieht, lässt sich so ein saftiges Filetstück nicht entgehen. ie Flut hat den deutschen Wahlkampf erreicht. Wird sie Anlass für die überfällige Debatte geben, wie Deutschland klimapolitische Akzente setzen kann, ohne wirtschaftlich gegen die Wand zu fahren? Oder erschöpft sich der Kampf um das Kanzleramt wie bisher im öden Kandidatenbashing, wobei statt Baerbock nun halt Laschet die Prügel bezieht? Die Kraft, den einen oder anderen siegesgewissen Bewerber mit sich zu reißen, hat das Hochwasser auf jeden Fall.
D