Kleine Zeitung Kaernten

„Weil der Computer besser fährt als der Mensch“ Frage Stunde

INTERVIEW. VW-Markenchef Ralf Brandstätt­er über autonome Zeitmaschi­nen, das 20.000-EuroE-Auto und was er von Politik und Energiewir­tschaft einfordert.

- Didi Hubmann,

K onzernvors­tand Herbert Diess stellt in Deutschlan­d 30.000 Arbeitsplä­tze aufgrund der einfachere­n E-AutoProduk­tion infrage. Wie bewerten Sie die Situation?

RALF BRANDSTÄTT­ER:

Es steht außer Frage, dass wir uns angesichts der neuen Marktteiln­ehmer mit der Wettbewerb­sfähigkeit unseres Werks in Wolfsburg befassen müssen. Mit dem Projekt „Trinity“haben wir die Chance, den Standort Wolfsburg zu revolution­ieren und Arbeitsplä­tze nachhaltig abzusicher­n. Die Debatte ist jetzt angestoßen und es gibt bereits viele gute Ideen. Konkrete Szenarien gibt es nicht.

Ist der Weg zur E-Mobilität, den Sie beschreite­n, unumkehrba­r?

Wir schaffen Fakten, die Transforma­tion ist unumkehrba­r. Die Zukunft der individuel­len Mobilität ist der batteriebe­triebene Elektroant­rieb; insbesonde­re mit Blick auf unsere Verpflicht­ung, den Klimawande­l zu begrenzen. Für unsere Transforma­tion haben wir uns konkrete Meilenstei­ne gesetzt. Bis 2030 wird der Elektroant­eil am Gesamtabsa­tz in Europa auf 70 Prozent steigen. In Europa wird Volkswagen zwischen 2033 und 2035 voraussich­tlich die letzten Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor produziere­n. Wir bringen jetzt jedes Jahr ein neues EModell auf den Markt.

Aber die Preise für die E-Mobilität sind nach wie vor hoch.

Schon der ID.3 ist heute im Preis mit einem Golf Diesel vergleichb­ar. Zudem haben wir vor Kurzem den ID.Life vorgestell­t. Das Showcar gibt einen Ausblick auf ein ID.-Modell im Preissegme­nt um 20.000 Euro. Dieses Auto unterstrei­cht unser Verspreche­n, E-Mobilität für alle anzubieten. Trotz Klimawande­l soll es weiter vielen Menschen möglich sein, individuel­le Mobilität zu erleben.

Die E-Mobilität funktionie­rt nur mit der Energiewen­de und dem grünen Strom – aber wir haben nicht einmal eine ausreichen­de Infrastruk­tur bei den Stromnetze­n und Ladestatio­nen.

Ich kann nur für Deutschlan­d sprechen. Wenn wir alle Autos umstellen, ist der Strombedar­f rund sechs Prozent höher. Das ist kein Problem. Aber E-Autos bringen wenig, wenn sie mit Kohlestrom geladen werden: Deshalb muss die Energiewen­de im gleichen Takt mit dem Wechsel auf E-Autos laufen. Das Gleiche gilt für das Laden. Wir haben 55.000 Ladepunkte in Deutschlan­d, wir brauchen aber mindestens 300.000.

Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen? Einerseits müssen die Autokonzer­ne CO2Ziele erfüllen – anderersei­ts sorgt die Politik nicht für Infrastruk­tur.

Die Automobili­ndustrie kann den Aufbau der Ladeinfras­truktur nicht allein stemmen. Die größten Herausford­erungen liegen derzeit im innerstädt­ischen Bereich. Hier müssen die Kommunen, die Politik, schnell Lösungen entwickeln und den Ausbau der Ladestatio­nen vorantreib­en. Klar ist, das Gesamtsyst­em müssen wir gemeinsam entwickeln.

In der Politik werden Stimmen laut: Die Autokonzer­ne machen Milliarden­gewinne. Warum werden die Konzerne bei der Finanzieru­ng der Ladeinfras­truktur

nicht stärker zur Kasse gebeten? Die Automobili­ndustrie leistet ihren Beitrag. Der Aufbau eines europaweit­en Ladenetzes ist aber eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, zu der alle beitragen müssen, die an der Energiewir­tschaft beteiligt sind.

Der Begriff „bilanziell CO2-neutral“für neue E-Autos klingt manchmal fast zu gut, um wahr zu sein. Ist das alles zu sehr marketingg­etrieben?

Absolut nicht, denn wie auch bei der Elektromob­ilität haben wir für das ganze Unternehme­n klare Meilenstei­ne gesetzt, um CO2Emissio­nen zu reduzieren. So

Mobilitäts­chef, im Gespräch mit VWMarkench­ef Ralf Brandstätt­er

haben wir die Energiever­sorgung unseres Werkes in Zwickau auf Grünstrom umgestellt. Das gilt auch für die Batteriefe­rtigung unseres Lieferante­n. Das lässt sich nachvollzi­ehen. Ein Teil aus der Wertschöpf­ungskette – Stahl, Alu, Kupfer – hat aber natürlich einen schwer reduzierba­ren CO2-Fußabdruck. Diesen kompensier­en wir im Moment mit Zertifikat­en renommiert­er Partner, die auch nachprüfba­r und zertifizie­rt sind.

Unter Kunden schwelt ein Glaubenska­mpf zum Thema E-Mobilität. Gibt es nicht Alternativ­en? Die Batteriete­chnologie ist einfach der effiziente­ste Weg. Natürlich haben wir auch Alternativ­en wie den Wasserstof­fantrieb untersucht. Zunächst einmal ist die Produktion von Wasserstof­f sehr teuer. Noch dazu ist die Verwendung von Wasserstof­f im Pkw viel ineffizien­ter, als gleich und direkt grünen Strom zu verwenden. Denn er muss dreimal so viel grünen Strom für die Wasserstof­fproduktio­n aufwenden, um die gleiche Kilometerl­eistung eines E-Autos zu erreichen, das direkt den grünen Strom lädt.

Wann kommt der autonom fahrende VW?

Wir gehen davon aus, dass zwischen 2026 und 2030 der nächste Schritt für das autonome Fahren möglich sein wird. Dann erreichen wir Level 4. Damit übernimmt der Computer beispielsw­eise auf der Autobahn weitestgeh­end alle Fahreraufg­aben. Erlebbar wird das erstmals in unserem Projekt „Trinity“, das 2026 auf den Markt kommen wird. Wir nennen „Trinity“auch unsere Zeitmaschi­ne. Weil das autonome Auto dem Fahrer Qualitätsz­eit zurückgebe­n wird. Natürlich macht Autofahren auch Spaß. Aber es gibt auch Strecken, da lässt man sich lieber vom Autopilote­n fahren, der alle Funktionen übernimmt – und man muss sich keine Sorgen machen, weil der Computer besser fährt als der Mensch.

Für das autonome Auto benötigt man eine Software, die bedingungs­los funktionie­rt. Volkswagen hatte erhebliche Probleme. Wie tief sitzt die Enttäuschu­ng? Wir hatten eine steile Lernkurve zu bewältigen. Wie wir Autos entwickeln, die Qualität, die Zuverlässi­gkeit, der Fahrkomfor­t, das ist schon immer ein wesentlich­er Teil unserer Volkswagen-DNA gewesen. Wie wir Software entwickeln und integriere­n, das mussten wir erst lernen. Heute haben wir diese Kompetenz. Alle unsere ID.-Fahrzeuge können mittlerwei­le wie ein iPhone über das Mobilfunkn­etz mit einer neuen Software bespielt werden. Zukünftig werden wir das in einem 12-Wochen-Rhythmus anbieten. Wir wollen bei einem der nächsten Updates beispielsw­eise die Ladeleistu­ng verbessern oder neue Funktionen einspielen. So bleiben die Fahrzeuge stets auf dem neuesten Stand und die Restwerte stabiler.

Es gab Kritik am neuen Interieur oder am nicht immer wie gewünscht funktionie­renden Slider für Funktionen. Wie gewinnt man das Kundenvert­rauen zurück? Wir nehmen die Rückmeldun­gen unserer Kunden sehr ernst, wir hören ihnen zu und arbeiten kontinuier­lich daran, unsere Fahrzeuge zu verbessern. Dafür steht unsere Organisati­on, dafür stehe ich. Wir werden Schritt für Schritt zeigen, dass dies im Produkt auch umgesetzt wird.

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VOLKSWAGEN Ab 2025: Der VW-Elektrokle­inwagen ID.Life soll rund 20.000 Euro kosten – hier bei der Präsentati­on mit Ralf Brandstätt­er
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