„Für eine Minute hatte ich ein Blackout“
Ein Emmy hat das Leben von Lukas Obernosterer (30) auf den Kopf gestellt. Der Komponist spricht über das harte Geschäft, die Entstehung eines Soundtracks und die konservative Heimat.
Herr Obernosterer, wie ist das Gefühl, wenn bei der Verleihung des bedeutendsten Fernsehpreises der Welt ein Umschlag geöffnet und Ihr Name genannt wird?
LUKAS OBERNOSTERER. Dadurch, dass ich so aufgeregt war und mein Herz so gepumpt hat, hatte ich für diese eine Minute so etwas wie ein Blackout. Nach dem Satz „And the Emmy goes to“habe ich noch zweimal „bitte, bitte“gemurmelt. Dann war ich natürlich im ersten Moment überglücklich. Bis mir eingefallen ist, dass ich jetzt die Rede halten muss. Erst als die Kamera und das Mikro aus waren, habe ich einen lauten Schrei losgelassen.
War die Rede schon vorbereitet?
Ja. Ich habe gewusst, wie aufgeregt ich sein würde, und wollte unter keinen Umständen einen Namen vergessen. Das alles war ja eine große Teamleistung.
Wie sehr hat sich das Leben seither verändert?
Das Schönste, was passiert ist, war, dass mir so viele Leute geschrieben haben. Ich habe um 1000 Nachrichten bekommen. Von der Familie, von Freunden und aus der Industrie. Es war schön, so einen Rückhalt zu spüren. Jobtechnisch muss ich meine Situation jetzt evaluieren. Es haben sich sehr viele Talentagenturen gemeldet. Aktuell bin ich aber schon mit dem nächsten BBC-Projekt „Frozen Planet“eingedeckt.
Welche Bedeutung hat dieser Preis?
Der Emmy gehört zu den großen Vier (neben Oscar, Grammy und Tony Award, Ann.). Die Ehrfurcht ist natürlich sehr groß und man gehört zu einem sehr intimen Kreis.
Damit steigen wohl auch Preise und der Marktwert?
Ja. Das Beste für mich ist, dass sich die Agenturen für einen interessieren. Die Industrie ist sehr kompetitiv. Mir gefällt es, die Musik zu machen. Das Business mache ich nicht so gerne.
Sie sind beim Musikerkollektiv „Bleeding Fingers Music“angestellt. Wie sieht es aus, wenn ein Künstler zur Arbeit geht?
Ich gehe um neun Uhr hin und höre meistens um 18 Uhr auf. Das ist ein großes Privileg. Der geordnete Job gefällt mir sehr gut. Musik ist natürlich Kunst, aber auch ein Service. Zu Hause habe ich kein einziges Musikinstrument.
Sie haben den Preis für die Vertonung der BBC-Doku Primates bekommen. Was zeichnet einen guten Soundtrack aus?
Jeder Soundtrack hat seine eigene Identität. So wie der Maler eine riesige Farbpalette hat, ist es auch in der Musik. Am Anfang wird nur über die Philosophie hinter dem Projekt geredet. Primaten teilen mit Menschen die simple Funktion, greifen zu können. Der ganze Score ist voll von Schnipsen und Klatschen und Geräuschen, die wir selbst mit unseren Händen machen können.
Sie sind vor zwei Jahren von Wien nach Los Angeles gezogen. Wie würde Ihr Leben aussehen, wenn Sie noch in Österreich wären?
Der Gedanke ist sehr interessant. Ich hätte ziemlich sicher keinen Emmy, aber trotzdem eine sehr schöne Zeit gehabt. Mir gefallen das europäische Kino und der österreichische Film. Das ist alles mehr kunstvoll. In Amerika geht es nur um das Entertainment.
Wäre ein solcher Erfolg in jungen Jahren bei den Strukturen in Österreich überhaupt möglich?
Ich würde mir wünschen, dass man in Österreich mehr Wagemut beweist, was Neues ausprodie
bieren und Jungen eine Chance zu geben. Wenn es in Österreich ein Regisseur-Komponist-Duo gibt, dann ist das ein Pakt fürs Leben. Da bleiben Junge oftmals auf der Strecke. Es ist oftmals ein bisserl konservativ und träge.
In den USA nennen Sie sich Adam Lukas. Sind die Amerikaner an Obernosterer gescheitert?
Ja, sind sie. Den meisten hier sage ich erst, wenn wir uns besser kennen, wie ich wirklich heiße. Die Leute hier erklären mir dann immer, dass Schwarzenegger seinen Namen auch nicht geändert hat. Nur heißt der nicht Schwarzeneggerer. Das „erer“am Schluss ist die große Schwierigkeit.
Mit Wolfgang Puck ist ein Mann aus Ihrer Heimat auch in Los Angeles allgegenwärtig. Hat es schon ein St. Veiter-Treffen gegeben?
Meine Mama (Anm.: Liedtexterin und Komponistin Dagmar Obernosterer) unterrichtet an der Hauptschule in St. Veit gemeinsam mit Christine Puck, der Schwester von Wolfgang.
Sie kommt jedes Jahr ein paar Mal nach Los Angeles und geht mit mir essen. Wolfgang habe ich leider noch nicht getroffen, aber dafür seine Söhne.
Sie sind auch ein politischer Mensch und wir führen dieses Gespräch, während Österreich innenpolitisch turbulente Zeiten erlebt. Wie sieht man so etwas aus der Ferne?
Die Nachrichten in der Heimat verfolge ich täglich. In Situationen wie diesen bin ich froh, dass da eine gute Distanz dazwischen ist. Ich merke aber, dass ich mich durch diese Vorgänge auch ein Stück weit entfremdet habe. Oft hat man das Gefühl, dass es zugeht wie in einem Kindergarten.
Politisch war es auch in den USA alles andere als ruhig.
Ich habe hier Tage und Nächte bürgerkriegsähnliche Zustände erlebt. Nach dem Tod von George Floyd und auch nach der Wahl. Da bin ich zwei Tage nicht aus dem Haus gegangen. Es waren sehr viele Verrückte auf der Straße und es waren auch Schüsse zu hören.