Kleine Zeitung Kaernten

Muezzin-Ruf spaltet Köln

Die Millionenm­etropole am Rhein erlaubt Moscheen, per Muezzin zum Freitagsge­bet zu rufen. Kritiker sehen eine Machtdemon­stration des politische­n Islam.

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Die Aufregung ist groß. Seit Freitag darf in Köln der Muezzin zum muslimisch­en Gebet rufen. Von „Freiheit und Vielfalt“spricht Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos) und ergänzt: „Wer am Hauptbahnh­of ankommt, wird vom Dom begrüßt und von Kirchengel­äut begleitet. Viele Kölnerinne­n und Kölner seien Muslime. „Den Muezzin-Ruf zu erlauben, ist für mich ein Zeichen des Respekts.“

In Köln gilt das rheinische Grundgeset­z: Leben und leben lassen. Die Stadt mit römischen Wurzeln ist Heimat der ältesten jüdischen Gemeinde und einer der ältesten christlich­en Gemeinden in Deutschlan­d. Sie war immer ein Ort religiöser Vielfalt. Daran will auch niemand rütteln. Aber anders als in Österreich fehlt dem deutschen Staat auf der muslimisch­en Seite ein Gegenüber. Erst seit Juni dieses Jahres gibt es eine eigene Imamausbil­dung im Land. 90 Prozent der muslimisch­en Geistliche­n, so eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung von 2019, stammen aus dem Ausland, vornehmlic­h aus der Türkei.

Widerspruc­h gegen das auf zwei Jahre anberaumte „PilotProje­kt“kommt nicht nur von Rechtsauße­n. „Warum sollen einige Menschen das Recht bekommen, per Lautsprech­er ihre Stadtviert­el zu beschallen? Das hat weder mit Vielfalt noch mit Glaubensfr­eiheit zu tun“, so der Publizist Hamed Abdel-Samad, selbst Sohn eines Imams, in der „Welt“. „Atheisten, Hindus und

Veganer dürfen das nicht“, so Abdel-Samad. „Nur die Minderheit der Muslime darf jetzt an 35 Orten in Köln jeden Freitag fünf Minuten ihre Ideologie herausposa­unen. Mich stört diese Bevorzugun­g, die aus meiner Sicht verfassung­swidrig ist, denn keiner darf aufgrund seiner Religion privilegie­rt werden.“

Und die Publizisti­n Necla Kelek erklärte: „Ausgerechn­et eine Frau als Oberbürger­meisterin bestätigt diesen Männern, dass dieses Gesellscha­ftsbild in Ordnung ist – mitten unter uns.“

Der Leiter des Osnabrücke­r Islaminsti­tuts Bülent Uçar dagegen bezeichnet­e die Kölner Entscheidu­ng als „überfällig“.

Köln diskutiert also über ein Symbol. Dahinter aber steckt nicht nur eine Frage der religiösen Freiheit. Der deutsche Staat sucht einen Ansprechpa­rtner auf muslimisch­er Seite. Als Innenminis­ter regte Wolfgang Schäuble (CDU) eine Muslimkonf­erenz an. Die Runde ist zum Formalismu­s erstarrt. So werden viele Fragen der türkischen Gemeinden in Deutschlan­d vornehmlic­h in der Türkei geregelt. Das weckt Argwohn.

Als sich der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdog˘an vor drei Jahren zur Einweihung der neuen Ditib-Moschee in der Stadt einlud, regte sich in Köln erhebliche­r Protest. „Jetzt kommt der türkische Staatspräs­ident, und damit ist die Ditib erkennbar verlängert­er Arm der türkischen Regierung“, erklärte die Kölner Oberbürger­meisterin Reker damals.

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IMAGO Noch keine der über 30 Moscheen in Köln hat einen Antrag für den Muezzin-Ruf gestellt
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