„Ich fühlte mich wie ein Aussätziger“
Der Häftling Heinz A. erzählt, was es bedeutet, im Gefängnis coronapositiv zu sein, und warum die Absonderung einer Bestrafung glich.
Er hebt sich langsam aus dem Bett und trottet die wenigen Schritte zum Fenster, dreht um, geht zur Tür und zurück. Zwischendurch nimmt er sein Rätselheft in die Hand und blättert darin. Es ist Anfang Mai und Heinz A. sitzt seit zehn Tagen in Isolationshaft der Justizanstalt Graz-Karlau. Der 57-Jährige ist kein auffälliger Häftling, er hat sich weder geschlagen noch ist die Einzelzelle Teil seines Resozialisierungsprozesses.
Die Bestrafung diente der Absonderung, um die Ausbreitung des Coronavirus zu vermeiden. Eine Quarantänemaßnahme also. Für Heinz A. blieb es eine
Tortur: „Ich fühlte mich wie ein Aussätziger.“Der Kontakt zu anderen war ihm untersagt, Essen bekam er durch die Luke der massiven Stahltür gereicht, waschen durfte er sich nur im Haftraum. Lediglich mit den Vollzugsbeamten war hin und wieder ein Wortwechsel drinnen. Und abends bot der hinter Plexiglasscheiben verschlossene Fernseher Unterhaltsprogramm.
Rund 450 Häftlinge sitzen derzeit in der Karlau ein, nur 30 Prozent der Hafträume sind Einzelzellen. „Wäre ein Cluster ausgebrochen, hätten die Kapazitäten niemals gereicht“, sagt Gefängnis-Impfkoordinator Gerhard Sampt. Bis dato konnte ein solches Szenario vermieden werden. Während der Lockdown-Monate draußen wurde auch hinter Gittern der Betrieb heruntergefahren, die Maßnahmen zur Freiheitsbeschränkung strenger: „Es gab keine Spaziergänge in den Höfen und die Gefangenen mussten Masken tragen. Viele haben sich in dieser Zeit zurückgezogen und ihre Zellen nicht verlassen“, so Sampt. Was auffiel: Die Auseinandersetzungen zwischen den Häftlingen sind in dieser Zeit deutlich zurückgegangen. Das
Aggressionspotenzial nahm ab, und eine gewisse Ruhe kehrte ein, berichtet Gefängnisleiter Josef Mock. Gleichzeitig mussten Resozialisierungsprogramme gestoppt werden: „Unter den Pandemiebedingungen hatten wir kaum eine Möglichkeit, Therapien vor Ort anzubieten. Und das ist das eigentliche Ziel einer Haftstrafe.“
Einen Monat nach seiner Isolation wurde Heinz A. erstmals geimpft, in dieser Woche war die Zeit für eine Auffrischung