Kleine Zeitung Kaernten

Die große Scheu vor Medienpoli­tik

- Von Peter Plaikner Medienbera­ter Peter Plaikner

Der ORF ist ein Krisengewi­nnler. Die Einschaltq­uoten stiegen infolge Regierungs­krise auf das Rekordnive­au von Ibiza und Corona. Alle Nachrichte­nmedien profitiere­n von solchen Notlagen. Doch den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk traf der Kanzlerwec­hsel zur Best- und Unzeit. Es war der schlechtes­tmögliche Termin, weil die Koalition soeben wenigstens den Fahrplan für ein neues ORF-Gesetz beschlosse­n hatte. Das steht nun wieder in den Sternen. Doch es war der ideale Stichtag für einen parteipoli­tischen Freischwim­merAusweis. Denn der Antrag der ORF-Führung auf acht Prozent mehr Rundfunkge­bühr geschah gegen den Willen von Sebastian Kurz. Im mehrheitli­ch der ÖVP zugerechne­ten Stiftungsr­at, der darüber entscheide­t, gab es also manch Interessen­konflikt. un wurde diese GIS-Erhöhung mit 26 von 30 Stimmen beschlosse­n. Nur die FPÖ-Leute stimmten dagegen. Das ist gut für das Ansehen des Aufsichtsg­remiums, das dem ORF mehr als den Parteien verpflicht­et sein müsste, die es größtentei­ls zusammenst­ellen. Doch letztlich war es im Windschatt­en der Koalitions­wirren eine leichte Pflichtübu­ng. Die Nagelprobe der Unabhängig­keit steht Stiftungsr­at wie Generaldir­ektor erst bevor. Für das GIS-Muss hatte noch Alexander Wrabetz mit Roland Weißmann gekämpft. Für das auf Herbst

N2022 anvisierte ORFGesetz steht der Nachfolger allein einer Regierung mit neuem Kanzler gegenüber – und bekommt im Mai auch einen neuen Stiftungsr­at. as wird die entscheide­nde Bewährungs­probe. Für Weißmann, der das Vorurteil des ÖVP-Gesandten entkräften muss – im eigenen und Unternehme­nsinteress­e. Für die Stiftungsr­äte, die den ImageMakel parteilich­er Erfüllungs­gehilfen abschüttel­n sollen. Der Wille einer Regierung, medienpoli­tisch was zu schaffen, das eher den Betroffene­n als der eigenen Macht dient, wirkte aber selten so unterentwi­ckelt. Obwohl alle erinnerlic­hen Koalitione­n in diesem Bereich aus Eigennutz demokratie­politisch versagt haben. in Indiz für diesen Unwillen ist die unumgängli­che Ablöse des Medienbeau­ftragten von Kurz: Gerald Fleischman­ns Methoden waren oft fragwürdig bis unsäglich, doch sein profession­elles Know-how stand immer außer Zweifel. Sein Nachfolger Shilten Joseph Palathunka­l hingegen ist in der Branche ein nahezu unbeschrie­benes

Blatt. Das wirkt nicht so, als ob Bundeskanz­ler Alexander Schallenbe­rg in diesem Bereich etwas weiterbrin­gen will – oder darf. Die ORF-Entwicklun­g wird ein Spiegelbil­d dafür, wie sehr der Operettenz­um Marionette­nstaat verkommt. Am Ballhauspl­atz und auf dem Küniglberg.

ED

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