Man umdrehen“
Hans Wenzl ist Österreichs erfolgreichster Höhenbergsteiger: Im Abstieg von der Annapurna, seinem zehnten Achttausender, geriet er in einen Schneesturm: „Dabei verlierst du die Sicht“.
Am liebsten würdest du umdrehen, aber du musst dich quälen. Du kannst nicht wegen 100 Meter aufgeben.“Hans Wenzl hat mit der 8091 Meter hohen Annapurna seinen zehnten Achttausender geschafft: Wieder selbst finanziert, wieder ohne Flaschensauerstoff und wieder hat er alle Höhenlager selbst aufgebaut. Kurz unter dem Gipfel kommen die Selbstzweifel, doch Wenzl schafft es über die Nordflanke auf den Gipfel: „Es war eine Erleichterung“, sagt der Alpinist aus dem Metnitztal im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.
Der Höhenbergsteiger steht am 28. April gegen 12.40 Uhr auf dem Gipfel – es ist sein zehnter von 14 Achttausendern. Nur 44 Bergsteiger und Bergsteigerinnen haben alle 14 Achttausender geschafft, aus Österreich vollbrachte Profibergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner das Kunststück. Und nur 17 ohne Flaschensauerstoff. Auf dem Gipfel der Annapurna findet Wenzl noch gutes Wetter vor, doch im Abstieg schlägt es um und ein Gewitter zieht auf. „Mit extremen Blitzen und starkem Schneefall. Auf einmal verlierst du die Sicht. Jetzt ist das Fixseil wichtig. Wenn du das nicht hast, hast du keine Chance.“
Aufgrund der Erschöpfung und des Sauerstoffmangels beginnt Wenzl im Abstieg zu halluzinieren: „Dann muss man die Ruhe bewahren. Im
Berg Annapurna
mer wieder denkt man, dass man falsch ist. Ich musste mir selbst sagen, dass es nur dieses Fixseil gibt.“
Beim gefährlichen Abstieg
kommen ihm der Italiener Giampaolo Corona und der Schwede Tim Bogdanov entgegen. Der Italiener sagt Wenzl, dass er nur noch etwas höher steigt, um Fotos zu machen. Während die beiden Alpinisten nach oben gehen, schleppt Wenzl sich ins Lager 4 auf 6950 Höhenmeter, das er gemeinsam mit Bogdanov und Corona eingerichtet hatte. „Als ich zum Lager kam, sah ich Giampaolo dort sitzen. Das war total realistisch. Als ich näher kam, war er aber nicht da.“
Der Alpinist verbringt eine Nacht fast ohne Schlaf. „Ich habe gewartet, dass die anderen kommen, aber sie kamen nicht.“Erst als Wenzl weiter absteigt, erfährt er, dass die beiden Bergsteiger die Nacht im Freien verbracht haben:
Bei Gewitter,
Schnee, 40 Grad Minus und ohne Zelt. Als Wenzl am 29. April um 16 Uhr ins nördlich gelegene Basislager der Annapurna kommt, sind die anderen noch oben. Obwohl Giampaolo über Funk mitteilt, selbst den Abstieg zu wagen, holt man ihn und den Schweden schließlich mittels Hubschrauberbergung von der Annapurna. „Man sieht, dass nur ein paar Stunden entscheiden. Die alten Bergsteiger haben immer gesagt, wenn
(8091 m)
nicht vor zwei Uhr am Nachmittag auf dem Gipfel bist, dreh’ um.“
zwei Jahrzehnten bricht der Metnitztaler, der im Brotberuf Baupolier bei der Porr ist, einmal im Jahr zu den höchsten Bergen auf: „Aber nicht, um sie abzuhaken.“Es geht ihm nicht um Rekorde, sondern um das Erlebnis. Die extrem gefährliche Annapurna hat ihm aber gezeigt, dass alles passen muss. Einen Achttausender zu besteigen ist auch eine lange Kette der Entbehrungen am vertikalen Ende der Welt: Von 24. bis zum 29. April hat er keinen Bissen gegessen, zum Trinken musste er sich zwingen. „An der
Seit bald
Höhe verzweifelt man. Die Nächte sind dabei das Schlimmste. Aber ich habe bei meinen Expeditionen gelernt, dass man die Dinge hinnehmen muss.“Wenn er am Nachmittag ins Zelt klettert, stellt er sich darauf ein, sich über sehr viele Stunden kaum zu bewegen. Man erlebt Hitze bei Tag und Kälte in der Nacht. „Und die Gefahr durch Lawinen kannst du nicht beeinflussen.“
Hans Wenzls Leistung ist auch deshalb so bemerkenswert, weil er das ganze Jahr als Baupolier arbeitet und die meiste Zeit nicht einmal auf hohen Bergen trainiert: Der in den Nockbergen gelegene Wintertalernock (2394 Meter) ist ganzjährig sein Traidu ningsberg. Seine Frau Sonja und seine beiden erwachsenen Söhne Patrick und Daniel stehen hinter ihm, wenn er einmal im Jahr das Abenteuer Berg sucht.
ist Wenzl hoch angesehen. Billi Bierling, Chefin der Himalayan Database, streute ihm schon vor seinem Annapurna-Erfolg Rosen: „Hans ist ein superstarker Bergsteiger.“Ob er alle 14 Achttausender schaffen will? „Realistisch ist es“, sagt der 51-Jährige. „Aber es ist kein Zwang für mich.“Shishapangma, Kangchendzönga, Dhaulagiri und Lhotse fehlen auf seiner Liste. Wohin er als Nächstes aufbricht, wird die Zeit weisen.
In der Szene