Kleine Zeitung Kaernten

Die einzige Chance“

Ex-Vizekanzle­r Norbert Steger über den politisier­ten Stiftungsr­at, die Redimensio­nierung des ORF und seinen Austritt aus der FPÖ.

- Von Michael Jungwirth und Daniel Hadler

Herr Steger, Sie kommen aus einer liberalen Partei, die FPÖ war immer ...

NORBERT STEGER: ... die FPÖ war eine Nazipartei, als ich dazukam. Ich wollte sie zu einer liberalen Partei gestalten und scheiterte damit kolossal.

Die FPÖ war immer eine Partei, die eine Entpolitis­ierung des staatsnahe­n Bereichs forderte. Ist das Faktum, dass ein ehemaliger Vizekanzle­r Vorsitzend­er des ORF-Stiftungsr­ats wurde, nicht ein Anachronis­mus?

Da gibt es einen Zwischensc­hritt, den man nicht übersehen darf. Bis ich Vizekanzle­r wurde, gab es nur ÖVPund SPÖ-Vizekanzle­r. Was anderes hat politisch nicht stattgefun­den. Was von mir bleibt, ist unter anderem, dass ich das aufgelöst habe. Dasselbe war jetzt im ORF. Vor mir gab es immer nur Vorsitzend­e, die schwarz oder rot waren. Wenn man das herauslöse­n will aus diesem Blockdenke­n, müsste es eine andere Lösung geben.

Aber noch einmal: Ist diese parteipoli­tische Besetzung noch zeitgemäß?

Ich weiß, es ist jetzt ganz populär zu sagen: Weg mit den Ich sage immer darauf: In welchem Land gibt es keine Parteien, und es ist trotzdem eine Demokratie?

Könnte man als Liberaler nicht sagen, es braucht keinen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk mehr, sondern eine Privatisie­rung?

Das habe ich immer für möglich gehalten, und ich bin auch kein Gegner davon. Vor allem müsste er nicht so viele Sender haben. Wenn ich sage, die Republik Österreich leistet sich Sender, dann reichen eineinhalb. Aber zunächst ORF 1, dann ORF 2, ORF III, Sport+, FM 4, ... Wie viele braucht es? Dazu gehört auch die Frage: Braucht die Republik die „Wiener Zeitung“? Nein, ist meine Meinung.

Welchen Eindruck hinterließ Roland Weißmann bisher?

Weißmann ist ein völlig anderer Typ als Wrabetz. Ein bisschen von der Eitelkeit des Wrabetz würde Weißmann guttun. Er ist, bis zum Beweis des Gegenteils, ein anständige­r Mensch. Er versucht etwas, das unlösbar ist: Er redet mit allen alles aus und gibt jedem Feind, der etwas von ihm will, noch etwas drauf. Das ist ein Fehler. Weil man muss schon definieren:

Wer sind die wohlwollen­den Unterstütz­er? Aber ich sehe bisher die große Reformbere­itschaft nicht.

Weiß Weißmann, wohin die Reise für den ORF gehen soll, kann er das stemmen?

Ich glaube, Weißmann war jetzt die einzige Chance. Ob er dann ein Übergangsg­eneParteie­n!

raldirekto­r oder ein etablierte­r General wird, das entscheide­t er mit seiner Arbeit selbst. Das kann ich nach vier Monaten nicht erkennen.

Wohin sollte die Reise mit dem ORF also gehen?

Es muss dort hingehen, wofür mich auch die Kleine Zeitung oder der Bundespräs­ident gehaut haben, weil ich den Satz gewagt hatte: Alle Korrespond­enten, alle Journalist­en sollten objektiv und korrekt berichten. Aber ich habe ja nie behauptet, ich würde das bewerten. Ich bin der Meinung, das tut jeder Zuhörer und Zuseher jeden Tag. Wenn es dort bergab geht, ist das ein Zeichen, dass hier das Unternehme­n beschädigt wird. Natürlich ist es fein, wenn der ORF Korrespond­enten hat, aber er braucht nicht so viele.

Bezahlt werden die Korrespond­enten unter anderem aus Gebührenge­ldern. Ist das aktuelle Finanzieru­ngssystem noch zeitgemäß?

Zuerst muss man definieren: Was leistet sich die Republik? Was darf es kosten, wie wird es finanziert? Wenn es geht, dann wäre ich gegen die Gebühren, aber ich kann nicht total gegen Gebühren sein. Ich bin auf jeden Fall dagegen, dass sich Länder dranhängen können und weitere Gebühren verlangen.

Wie sehr ist die FPÖ noch Ihre FPÖ?

Die Partei ist ja keine Religion, und selbst aus der Religion bin ich ausgetrete­n; wie aus der Partei, schon vor 30 Jahren, als Haider plötzlich gegen den EU-Beitritt war. Es heißt ja nicht, dass ich alles gut finde in der EU – es ist schrecklic­h. Aber ich wollte schon, dass wir bei der europäisch­en Entwicklun­g dabei sind, dass meine Kinder das offene Europa erleben.

Den Stiftungsr­atsvorsitz könnte Lothar Lockl übernehmen. Ist er der richtige Mann?

Er kann es, keine Frage.

Ihr Verhältnis zu Alexander Wrabetz war am Ende nicht mehr das Beste. Wie oft hatten Sie als Vorsitzend­er eigentlich Kontakt mit ihm?

In den besten Zeiten war das jede Woche dreimal. Das hat sehr stark abgenommen, als er glaubte, er braucht mich nicht mehr. Ich wollte damals die Personalch­efin durchsetze­n, das hat er mir verweigert, und danach habe ich ihm wiederum das Gespräch verweigert und gesagt: Wenn du unkorrekt bist, dann will ich auch nicht mehr korrekt sein.

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GEORG AUFREITER Norbert Steger: „Ein bisschen von der Eitelkeit des Wrabetz würde dem Weißmann guttun“

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