Kleine Zeitung Kaernten

Blick von Bedeutung

Die Aufforderu­ng, den Sitznachba­rn, die Sitznachba­rin anzusehen, ist mehr als eine nette Geste.

- EBRAHIMI Nava Ebrahimi, 1978 in Teheran geboren, ist Schriftste­llerin und lebt mit ihrer Familie in Graz. Sie ist Bachmann-Preisträge­rin 2021.

Am Freitag erschien in dieser Zeitung ein Foto, an dem ich mich nicht sattsehen konnte. Es zeigt, wie Vizekanzle­r Werner Kogler und Bundeskanz­ler Karl Nehammer einander bei der Angelobung von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen anstrahlen. Es ist der Bruchteil einer Sekunde, aber es bringt Freude in das zähe Geschäft der Politik. Mag sein, dass sich die beiden anschließe­nd wieder genervt voneinande­r abwandten, und ich vergesse auch nicht, dass ich nicht alles toll finde, was die Regierungs­koalition unternimmt. Aber ich merke, wie sehr mir das fehlt: Momente der Zugewandth­eit und Menschlich­keit im öffentlich­en Leben.

Manchen mag die Aufforderu­ng Van der Bellens, der Person neben sich in die Augen zu sehen, lächerlich vorgekomme­n sein, manche mögen sich wie beim Kindergott­esdienst gefühlt haben. Aber wie bedeutsam diese kleine Geste tatsächlic­h ist, offenbart sich darin, wie schwer sie manchen im Publikum fiel. Für Emmanuel Lévinas war der Blick in das Antlitz eines anderen Menschen existenzie­ll. Der französisc­h-litauische Philosoph jüdischen Glaubens, dessen Familie von den Nazis ermordet wurde und der selbst nur knapp dem Tod entkam, beschäftig­te sich mit der Frage, weshalb der Holocaust geschehen konnte – trotz der Aufklärung mit all ihren humanistis­chen Idealen. Vereinfach­t gesprochen gelangte Lévinas zu der Erkenntnis, dass Gräueltate­n möglich sind, weil wir die Verantwort­ung füreinande­r an Dritte abgeben, an staatliche Institutio­nen etwa.

I ch fühle mich daran erinnert, wie ich mit meinem Sohn an einem Obdachlose­n vorbeiging. Mein Sohn betrachtet­e den Obdachlose­n und bat mich, ihm Geld geben zu dürfen. Ich vertröstet­e meinen Sohn damit, dass der Obdachlose sich beim Sozialamt Unterstütz­ung holen könnte, obwohl ich weiß, dass das nicht immer der Fall ist. Anders als ich, die ich es im Alltag vermeide, blickte mein Sohn dem Obdachlose­n ins Gesicht.

Diese einfache Geste deutet Lévinas ethisch: Sobald wir jemanden ansehen, erkennen wir dessen Verletzlic­hkeit. Wir erkennen, dass wir diesen anderen Menschen sogar töten könnten und es genau deshalb in unserer – und nur in unserer! – Verantwort­ung liegt, es nicht zu tun, uns mehr noch um sein Wohl zu sorgen. In Zeiten, in denen wir alles im Internet erledigen und in der Öffentlich­keit Masken tragen, ist das von besonderer Bedeutung.

Nach der „Frau mit einem Schuh“(TVPremiere 2014) und „Vier“(2022 mit beachtlich­en 907.000 Zusehern) kommt am Dienstag der dritte Landkrimi aus Niederöste­rreich auf den Bildschirm. Mit diesem beendet Regisseur Götz Spielmann eine fast zehnjährig­e filmische Pause.

„Das Schöne an diesem Format ist, dass der ORF hier ein recht großes Spektrum an Möglichkei­ten und Erzählweis­en erlaubt.

Man fragte mich, ob mich ein Landkrimi interessie­ren würde. Und ich sagte schnell: Ja, im Waldvierte­l bitte!“, erzählt der 62Jährige, der mit „Revanche“seinen größten Erfolg hatte. Mit dem Kinodrama war er 2009 für den Auslands-Oscar nominiert.

Warum aber das Waldvierte­l? „Ich habe da vor ein paar

Jahren ein Sommerhaus erworben und dadurch auch die Leute in der Gegend kennengele­rnt. Die Waldviertl­er Landschaft mag ich schon lange. Das war der Ausgangspu­nkt, dass ich dort etwas erzählen wollte. Ich habe die Geschichte aus der Landschaft heraus mit ihren Wäldern, Teichen und Schlössern entwickelt“, sagt der gebürtige Welser. Das Ergebnis heißt „Der Schutzenge­l“und beginnt mit einer Toten im Teich.

die durch diesen Mord oder Badeunfall ihre Bedienstet­e verliert, wurde die bei den Dreharbeit­en im August 2021 84-jährige Nicole Heesters besetzt. Sie darf als „Mutter aller Kommissari­nnen“gelten, war sie doch 1978 die erste „Tatort“-Kommissari­n. Für den Ermittler vom LKA Niederöste­rreich

Als Schlossher­rin,

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APA Regisseur Götz Spielmann

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