Reportagen vom Wolfspelz bis zum Betongold
Die Gründungsgeschichte hat schon Legendencharakter. Der vom „Inlandsreport“gekommene Peter Resetarits und der langjährige Auslandskorrespondent Christian Schüller hatten beim jungen ORF-Intendanten Gerhard Zeiler Werbung für ihre Idee eines neuen Sozialreportageformats gemacht. Zeiler, bereit, auf dem Küniglberg mit einer umfassenden Programmreform umzurühren, ließ sich überzeugen.
Den Namen „Am Schauplatz“erfand Schüller. „Dem sind immer die besseren Titel eingefallen“, gesteht Resetarits. Was fehlte? Eine aufsehenerregende Geschichte für die erste Sendung. „Dann sind wir drei Wochen vor der Ausstrahlung traurig in einem Kaffeehaus im 15. Bezirk gesessen und haben eine Krisensitzung abgehalten, was wir jetzt bringen könnten“, erinnert sich Peter Resetarits.
Daraufhin spielte der Zufall Schicksal, und ein exzentrischer Immobilienhai rückte ins Bild, der Mieter mit dubiosen
Methoden aus den Wohnungen drängte. Resetarits interviewte den Mann, der währenddessen einen schicken Wolfspelz trug, in dessen Mercedes 600. Kurz darauf war der Interviewte untergetaucht, und der „Schauplatz“hatte seine erste KnüllerGeschichte und -Quote.
Das war im März 1995. Schüller ist mittlerweile in Pension, Resetarits (62) nur noch einleitender Zeremonienmeister von „Am Schauplatz“, wo Klaus Dutzler Sendungschef ist. Der Fokus des Juristen Resetarits ist weitergerückt zum „Schauplatz Gericht“.
Das Gesicht von „Am Schauplatz“blieb Resetarits trotzdem. Auch trägt die von ihm und Schüller entworfene Antithese zur hektisch-ventilierenden TV-Reportage im „Schauplatz“noch immer ihre Handschrift. „Wir haben damals beide gleichzeitig die Idee gehabt, ein Format zu konzipieren, wo man sich mehr Zeit lässt, wo man längere Interviewpassagen in die Reportagen einfließen lassen kann. Wo man Bilder ste
Ungerechtigkeit, Alltagssorgen, Skandale: Morgen läuft die 1000. Folge von „Am Schauplatz“. Peter Resetarits erinnert sich an die Anfänge.
hen lässt und nicht alles zuquatscht.“Umgesetzt wird das Konzept von Reporterinnen wie Nora Zoglauer, deren Reportagen über „Betongold an der Piste“2022 mit 736.000 Zuschauern die erfolgreichste war.
Die
sensationellste Reportage der letzten Jahre gelang Ed Moschitz: Er hatte 2020 über den maßlosen Wintersportzirkus in Ischgl recherchiert, als der Ort plötzlich vom Ski- zum CoronaMekka mutierte. Moschitz hatte den Film der Stunde gedreht. Mehr als eine Million Seherinnen und Seher sind bis heute „Schauplatz“-Bestwert.
„Das ist oft eine Gemengelage aus guter Recherche, journalistischem Gespür und manchmal auch Glück“, beschreibt Resetarits das Rezept für diese außergewöhnlichen Erfolge: „Hie und da mit solchen Geschichte aufzuwarten, ist schon ganz wichtig und tut uns gut.“
Auch ohne diese Ausreißer nach oben steht „Am Schauplatz“gut da: 2022 lag das Format durchgehend über 500.000 wöchentlichen Sehern.
Ein Grund, warum es die Sendung heute noch gibt, sei der Umstand, dass man Recherchen keine verbrannte Erde hinterlasse, sagt Resetarits: „Wir wollen auch als Journalisten einigermaßen würdevoll durchs Leben schreiten und niemanden billig reinlegen. Diese Schlawinerhaftigkeit, im Schneideraum zum Täter zu werden und sich alles Mögliche zu trauen, was man sich im Vieraugengespräch nicht trauen würde, das haben wir versucht auszulassen.“ sendung, die einen thematischen Abriss über das Reportageformat geben soll. Für Nachteulen geht es ab Mitternacht weiter: Ab 0.05 Uhr erzählen zehn der bisherigen 1000 Folgen, darunter die Premierensendung („Der Hausherr“) von 1995, bis in die Morgenstunden von Ungerechtigkeiten, Alltagssorgen und Alltagskonflikten.