Corona gehört aufgearbeitet
Die Coronamaßnahmen enden, ihre Folgen werden Österreich noch lange beschäftigen. Alle Parteien sollten sich daran machen, die Pandemiejahre umfassend aufzuarbeiten.
Es ist eine lange, lange Liste mit bizarren Anekdoten, die aus drei Jahren Coronamaßnahmen erwachsen sind. Von Menschen, die die Polizei gestraft hat, weil sie allein auf einer Parkbank gesessen sind; von Landwirten, die am Weg in ihren Wald einen PCRTest vorweisen mussten, weil der hinter einer Bezirksgrenze lag; von der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich, wo im Zug bis heute die Maskenpflicht erlischt, obwohl im Waggon genau dieselben Leute sitzen, wie ein paar Meter weiter.
Und das sind nur die vergleichsweise „lockeren“Momente misslungenen Pandemiemanagements. Am anderen Ende dieses Spektrums steht die von Anfang an völlig verunglückte Impfpflicht: Ersonnen von den Landeshauptleuten im Raucherkammerl einer Klausur, weil man glaubte, dem geimpften Teil der Bevölkerung eine „Strafe“für die Ungeimpften bieten zu müssen, weil ein neuer Lockdown nötig geworden war. Umgesetzt von einer zu jenem Zeitpunkt völlig führungslosen Regierung, die dann Wochen später hilflos zurückrudern musste.
Im Nachhinein – gestern hat die Koalition angekündigt, dass Mitte des Jahres die letzten Covid-Maßnahmen auslaufen werden – gibt es jetzt zwei Chöre, in die man einstimmen könnte: „Wir sind alles in allem gut durch die Krise gekommen“, sagt auf der einen Seite Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, die am liebsten „das Kapitel schließen“würde.
Alles sei schrecklich gewesen, eine „Corona-Diktatur“voll sinnloser Maßnahmen, sagt dagegen die FPÖ, die – Indizien dafür gibt es im niederösterreichischen Wahlergebnis – vom Maßnahmen-Frust profitiert.
Beide machen es sich zu einfach. Herbert Kickls Partei gibt mit einer allzu simplen These („alles übertrieben“) eine eingängige, aber falsche Antwort auf eine komplexe Situation. In den ersten Jahren des Virus waren dessen Varianten aggressiver, tödlicher als heute. Maßnahmen bis hin zu den Lockdowns zu verhängen, um das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren, waren dringend notwendig. Wer heute sagt, nichts zu tun wäre besser gewesen, muss dazusagen, dass er damit Tausende Tote mehr in Kauf genommen hätte. uf der anderen Seite muss sich jeder, der sagt, Österreich sei gut durch diese Krise gekommen, fragen lassen: Woran messen wir das? Ja, das Gesundheitssystem hat – dank Maßnahmen – gehalten. Aber haben andere Staaten dasselbe erreicht, ohne Schulen und Kindergärten monatelang zu sperren? Wäre das effizienter gegangen, ohne dafür neue Schulden in zweistelliger Milliardenhöhe aufzunehmen?
Es liegt auf der Hand, dass Fragen wie diese Österreich politisch noch länger beschäftigen werden. Umso wichtiger wäre es, die drei Coronajahre sauber und umfassend aufzuarbeiten. Ein von allen Parteien gemeinsam beschlossener Corona-Untersuchungsausschuss, der Entscheidungswege, Maßnahmen und Hilfen minutiös auf den Prüfstand stellt, wäre ein guter Anfang dafür.
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