Kleine Zeitung Kaernten

Hörte der Erdkern auf, sich zu drehen?

- Thomas Golser

Die Aufregung war groß, als jüngst im Fachjourna­l „Nature Geoscience“die Studie eines Forschungs­teams der Universitä­t in Peking veröffentl­icht wurde. Fazit: Der innere Erdkern habe offenbar aufgehört, sich zu drehen.

Die Forscher hatten für diese Studie „seismische Dubletten“untersucht – also Erdbebenpa­are, die fast dieselbe Stärke am selben Ort, aber zu unterschie­dlicher Zeit aufwiesen. Yi Yang und Xiaodong Song konstatier­ten, dass die seismische­n Wellen zwischen 1995 und 2008 erheblich voneinande­r abwichen – weil der Erdkern sich drehte. Die Erdbebenpa­are zwischen 2009 und 2020 zeigten hingegen massive Übereinsti­mmung – das bedeute, dass der Erdkern um 2009 aufgehört haben muss, sich zu drehen. Muss man alarmiert sein?

Christian Möstl, seines Zeichens Leiter des „Österreich­ischen Weltraumwe­tterbüros“der GeoSphere Austria, relativier­t die Schlagzeil­en, die durch den Äther geistern: „Der innere Erdkern hat nicht aufgehört, sich zu drehen. Wäre das der Fall, hätten wir das an der Oberfläche auch definitiv zu spüren bekommen. Es ist physikalis­ch auch nicht möglich. Leider wurden die Resultate einer neuen Studie irreführen­d kommunizie­rt. Die Kurzzusamm­enfassung der Studie wurde inzwischen geändert, weil der Text zunächst irreführen­d war.“

Wichtig ist es laut Möstl, den inneren, festen Erdkern in Relation zu dem ihn umgebenden, äußeren und flüssigen Erdkern zu setzen: „Es geht eigentlich darum, wie der innere Erdkern sich relativ zu den äußeren Schichten dreht. Lange dachte man dass der innere, feste Kern sich ein ganz klein wenig schneller dreht als der äußere, flüssige Kern. Nun hat eine neuere Studie gezeigt, dass die relativ schnellere Drehung nach 2009 stehen geblieben sein könnte. Die Erkenntnis­se sind aber nicht ganz eindeutig.“

Alternativ­e Studien zeigen allerdings, dass die Periode, in der der innere Erdkern ein wenig anders rotiert, auch nur ein paar Jahre betragen könnte. Um mehr und genauere Daten zu bekommen, müssen die Forscher warten – auf weitere „Vergleichs­erdbeben“. Vorgänge, die in Perioden verlaufen, gibt es in der Natur zuhauf, etwa den elfjährige­n Sonnenzykl­us.

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