Hörte der Erdkern auf, sich zu drehen?
Die Aufregung war groß, als jüngst im Fachjournal „Nature Geoscience“die Studie eines Forschungsteams der Universität in Peking veröffentlicht wurde. Fazit: Der innere Erdkern habe offenbar aufgehört, sich zu drehen.
Die Forscher hatten für diese Studie „seismische Dubletten“untersucht – also Erdbebenpaare, die fast dieselbe Stärke am selben Ort, aber zu unterschiedlicher Zeit aufwiesen. Yi Yang und Xiaodong Song konstatierten, dass die seismischen Wellen zwischen 1995 und 2008 erheblich voneinander abwichen – weil der Erdkern sich drehte. Die Erdbebenpaare zwischen 2009 und 2020 zeigten hingegen massive Übereinstimmung – das bedeute, dass der Erdkern um 2009 aufgehört haben muss, sich zu drehen. Muss man alarmiert sein?
Christian Möstl, seines Zeichens Leiter des „Österreichischen Weltraumwetterbüros“der GeoSphere Austria, relativiert die Schlagzeilen, die durch den Äther geistern: „Der innere Erdkern hat nicht aufgehört, sich zu drehen. Wäre das der Fall, hätten wir das an der Oberfläche auch definitiv zu spüren bekommen. Es ist physikalisch auch nicht möglich. Leider wurden die Resultate einer neuen Studie irreführend kommuniziert. Die Kurzzusammenfassung der Studie wurde inzwischen geändert, weil der Text zunächst irreführend war.“
Wichtig ist es laut Möstl, den inneren, festen Erdkern in Relation zu dem ihn umgebenden, äußeren und flüssigen Erdkern zu setzen: „Es geht eigentlich darum, wie der innere Erdkern sich relativ zu den äußeren Schichten dreht. Lange dachte man dass der innere, feste Kern sich ein ganz klein wenig schneller dreht als der äußere, flüssige Kern. Nun hat eine neuere Studie gezeigt, dass die relativ schnellere Drehung nach 2009 stehen geblieben sein könnte. Die Erkenntnisse sind aber nicht ganz eindeutig.“
Alternative Studien zeigen allerdings, dass die Periode, in der der innere Erdkern ein wenig anders rotiert, auch nur ein paar Jahre betragen könnte. Um mehr und genauere Daten zu bekommen, müssen die Forscher warten – auf weitere „Vergleichserdbeben“. Vorgänge, die in Perioden verlaufen, gibt es in der Natur zuhauf, etwa den elfjährigen Sonnenzyklus.