Land hat zu Unrecht Geld einbehalten
Mann mit Behinderung, der in einem Heim ist, musste jahrelang 80 Prozent der erhöhten Familienbeihilfe dem Land abgeben. Zu Unrecht, urteilt das Höchstgericht.
Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes hat das Land Kärnten Erklärungsbedarf. Es geht um die erhöhte Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung, die in bestimmten Einrichtungen leben. „Ihnen wurde vom Land vorgeschrieben, 80 Prozent ihrer erhöhten Familienbeihilfe an das Land zu zahlen“, sagt Jurist Philipp Martinak. Er ist Leiter der Erwachsenenvertretung „Vertretungsnetz“in Kärnten. „Jahrelang haben wir und die Behindertenanwaltschaft daraufhingewiesen, dass das Unrecht ist.“
Bis ein Betroffener das Land Kärnten geklagt hat – und Recht bekam. „Das Höchsgericht hat geurteilt, dass die Vorgehensweise des Landes nicht dem Gesetz entspricht“, erklärt Martinak.
Raimund Wurzer, Sprecher des Obersten Gerichtshofes (OGH), bestätigt: „Das Land hat die erhöhte Familienbeihilfe des Klägers fälschlicherweise als Einkommen gewertet. Es wurde ihm zu Unrecht vorgeschrieben, 80 Prozent der Familienbeihilfe an das Land zu
zahlen.“Der Betroffene braucht einen Rollstuhl und ist in einem Pflegeheim. „Wie viele andere auch, hat er jahrelang 80 Prozent seiner erhöhten Familienbeihilfe an das Land abgegeben“, erklärt Martinak. In zweieinhalb Jahren zahlte der Mann etwa 5737 Euro. „Argumentiert wurde das damit, dass der gesamte Lebensunterhalt des Betroffenen vom Heim gedeckt sei“, erklärt Martinak.
Laut OGH war das nicht korrekt: Der Lebensunterhalt des Mannes sei, entgegen der Sicht des Landes, nicht vollends vom Heim gedeckt worden. Der Kläger hätte viele Dinge des Alltags – etwa Kleidung – selbst zahlen müssen, argumentiert der OGH. „Der auf einen Rollstuhl angewiesene Mann muss etwa für Hygieneartikel, Fußpflege oder nicht von der Kasse gedeckte Medikamente aufkommen“, konkretisiert Martinak. „Dafür braucht er erhöhte Beihilfe.“
Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben. „Eine große Personengruppe in Kärnten hat zu Unrecht Geld an das Land gezahlt“, meint Martinak. „Das trifft die
schwächsten der Gesellschaft“, kritisiert er. Dem Kläger muss das Land nun laut Höchstgericht die 5737 Euro zurückzahlen. Weitere Klagen sind möglich. „Alle Betroffenen, die diese Kosten zahlten, haben gute Chancen, diese für die letzten drei Jahre zurückzufordern“, erklärt Martinak.
Wird das Land bereits geleistete Zahlungen an Betroffene rückerstatten? Claudia Grabner, Sprecherin von Landeshauptmann-Stellvertreterin und Sozialreferentin Beate Prettner (SPÖ): „Juristen prüfen aktuell, bis zu welchem Zeitpunkt die geleisteten Beträge zurückzuzahlen sind.“Die Verwaltung habe nach der gültigen Rechtsgrundlage die Beträge eingehoben. „Das Land wird selbstverständlich dem Urteilsspruch nachkommen und auf der OGH-Rechtskenntnis agieren.“Eingefordert wurden die 80 Prozent bei pflegebedürftigen behinderten Personen, die in einer Pflegeeinrichtung vollständig betreut werden, hält Grabner fest. „Dies aufgrund der bislang gültigen Rechtslage.“Laut Grabner seien in etwa 170 Personen davon betroffen.