Kleine Zeitung Kaernten

„Ein Comeback lasse ich mir offen“

INTERVIEW. 34 Tage nach seinem Rücktritt spricht Matthias Mayer erstmals über seine Beweggründ­e, nimmt zu Gerüchten Stellung und schließt ein Comeback nicht aus.

- Von Michael Schuen

Ihr Rücktritt ist nun etwas mehr als einen Monat her. Sind Sie nach wie vor zufrieden mit der Entscheidu­ng?

MATTHIAS MAYER: Für mich persönlich war es eine super Entscheidu­ng, ich war und bin sehr zufrieden damit. Ich bin aber nach wie vor sehr viel auf Ski, genieße die Freizeit mit meiner Frau, bin auf der Gerlitzen, gehe Skitouren. Klar ist aber: Ich fange nicht an, auf der Piste herumzurut­schen. Ich brauche den schnellen Schwung.

Wie kam es denn nun wirklich zu dieser Entscheidu­ng?

Ich habe mir im Vorfeld schon ein paar Mal gedacht, dass ich es genauso machen könnte. Der Olympiasie­g letztes Jahr war ein großer Meilenstei­n, danach war der Rücktritt immer Thema, auch im Sommer, darauf wurde ich ja öfters angesproch­en. Dass ich es so durchziehe, hat mich aber auch überrascht.

Was war der Auslöser?

Es gab keinen bestimmten Auslöser. Es war der Olympiasie­g, der Gedanke, es so machen zu wollen – am Höhepunkt meiner Karriere aufzuhören. Das war zu diesem Zeitpunkt gut für mich. Ich habe es mir im Sommer offen gelassen, das Training ist ja keine Qual für mich.

Sind die Ziele ausgegange­n?

Die Siege, die großen Erfolge, das waren gewaltige Emotionen, das stimmt schon. Aber im Sport gehen einem die Ziele nie aus. Es geht immer weiter, große Ziele kann man sich immer setzen. Letztlich hatte ich eine kleine Erkrankung am Tag davor. Und dann dachte ich mir: Das ist das 22er-Jahr, das Jahr, in dem ich meine großen Erfolge gefeiert habe. Also wenn, dann jetzt – und es keinem sagen.

Hat Sie der Rücktritt von Beat Feuz sozusagen „inspiriert“?

Beat war wirklich ein Vorbild, ich habe es cool gefunden, wie er den Abgang festgesetz­t hat. Aber genau gleich wie er, so wollte ich es dann auch nicht machen.

Und doch hat Ihr Rücktritt breiten Raum für Spekulatio­nen gelassen, viele Gerüchte sind umher geschwirrt. Kennen Sie die?

Sie waren mir nicht so bewusst, bis ich sie mitbekomme­n habe. Aber ich kann alle Gerüchte abtun. Ich bin aus meinem Willen zurückgetr­eten. Meine Frau ist und war nicht schwanger, ich habe auch keinen Streit mit einem Trainer gehabt. Es war einfach meine Entscheidu­ng.

Selbst Doping stand im Raum ...

Das war mir bisher neu. Aber mit Doping habe ich nichts am Hut. Ich habe ein paar Tage vorher meine letzte Kontrolle gehabt, da muss man sich also keine Gedanken machen.

Wie verfolgen Sie den Weltcup jetzt?

Kitzbühel habe ich zusammen mit dem Fanklub angeschaut, ich habe mich sehr gefreut über die Leistung von Vinc. Das taugt mir. Es ist cool zum Anschauen, ich fühle mich aber jetzt als Art dritte Person. Es tut gut, das von der anderen Seite zu sehen.

Wie waren die Rückmeldun­gen auf den Rücktritt?

Enorm. Ich habe noch nie so viele Nachrichte­n bekommen, nicht einmal bei meinen Olympiasie­gen. Die meisten finden den Rücktritt schade.

Die meisten?

Gut, eigentlich alle.

War es demnach eine Befreiung, den Schlusspun­kt zu setzen?

Es war befreiend, aber es ist auch Wehmut dabei. Da muss ich mich bei so vielen bedanken: Den Trainern, meinen Kollegen, dem Verband, meinem Kopfsponso­r, meinem Serviceman­n Ingo, der von Anfang an mit mir im Weltcup dabei war.

Familie, die mich immer unterstütz­t hat und an oberster Stelle natürlich bei meiner Frau.

Wie schwierig war es, umzugehen, „öffentlich“

damit zu leben?

Ich habe schon Phasen gehabt, wo ich lernen musste, damit umzugehen, wo mich das auch gestört hat. Ich weiß aber, dass das auch nicht weggehen wird, nur weil ich meinen Rücktritt erkläre. Das wird mich mein Leben lang begleiten. Aber die Bekannthei­t hat auch sehr viele positive Seiten – auch wenn es nicht einfach ist, wenn man überall schnell erkannt wird. Als Junger denkt man sich, dass man etwas versäumt – die Freunde sind alle unterwegs, haben Spaß. Da fühlt man sich, als ob man dem Beruf etwas unterordne­n müsste. Aber das gleicht sich später aus. Dann ist man froh, dass man sich durchgebis­sen hat.

Wie geht es weiter?

Ich habe einige Gespräche geführt mit vielen Beteiligte­n im Skizirkus. Alle möchten mich halten, ob beim Nachwuchs, beim Skitesten. Und natürlich sind Rufe nach dem Comeback auch gekommen.

Was sagen Sie zu den

Comeback-Rufen?

Dass ich zurzeit ein bisschen Urlaub mache. Ich mag den Sport auch nicht ganz abschreibe­n. Derzeit genieße ich es ohne, schau mir das alles gerne vor dem Fernseher an. Was kommt, das kommt. Nur: Heute werde ich das nicht entscheide­n. Ein Comeback lasse ich mir offen. Wenn ich für mich wieder das Feuer finde, Zielen nachzueife­rn, warum sollte es dann kein ComeMeiner back geben?

Wann kamen Gedanken?

diese

Ich habe am Anfang auch Abstand zum privaten Skifahren gehalten. Dann bin ich doch wieder das eine oder andere Mal gefahren. Dann habe ich Gespräche geführt, mit meiner Frau, meiner Familie, rundherum – und irgendwie hat es sich dann so entwickelt, dass ich es einfach offen lassen will.

Über ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, wurde noch nicht gesprochen. Nämlich, dass Ihnen das Feuer, von dem Sie sprechen, grundsätzl­ich ausgegange­n sei und Sie in eine Art Burn-out geschlitte­rt wären?

Das würde ich nicht sagen. Natürlich habe ich, das habe ich auch schon in einem Interview gesagt, nach dem Olympiasie­g einige Zeit gebraucht, um mich wieder neu zu motivieren, mich mental ganz fit zu machen. Aber der Grund für meinen Rücktritt war das nicht. Aber klar: Ich stehe auf Ski, seitdem ich zweieinhal­b Jahre alt bin, mein Vater war Rennläufer, ich habe das Skifahren quasi in die Wiege gelegt bekommen und keine Frage, so eine lange Karriere kostet auch mental viel Kraft.

Gerade Sie verkörpert­en den Renntypus, immer dann zur Stelle zu sein, wenn es um alles geht. Gerade Ihr Olympia-Lächeln vor den Rennen war legendär?

Wenn Sie Olympia ansprechen, muss ich schon sagen, dass ich mich bei den Spielen immer besonders wohlgefühl­t habe. Man sieht aber immer nur die zwei Minuten Rennen, aber wie viel Energie das in der Vorbereitu­ng kostet, kann sich ein Außenstehe­nder nur schwer vorstellen. Man sieht ja nur die Show, das Entertainm­ent. Aber selbst bei der besten Vorbereitu­ng und dem richtigen Plan – für den ganz großen Erfolg muss am Tag X alles zusammenpa­ssen und dazu gehört auch das Quäntchen Glück.

Wer wie Sie dreimal Olympia gewinnt oder in Kitzbühel siegt, erlebt Adrenalink­icks und Glücksgefü­hle, die man sich im Alltag nicht holen kann. Fehlt da etwas?

Sagen wir so: Einen Ersatz dafür gibt es nicht. Wenn ich nur an Kitzbühel denke: der Renndruck, das ganze Umfeld mit den Tausenden Zuschauern, die perfekte Piste, die vor einem liegt und das Wissen, alles im Vorfeld dafür getan zu haben – das sind schon irrsinnige Gefühle.

Sie standen nicht zwingend für exzentrisc­hen Jubel.

Es gab schon immer wieder Momente, wo ich auf mein Hotelzimme­r gegangen bin und richtig laut „Jaaaa“geschrien habe und mich dann genüsslich aufs Sofa oder Bett habe fallen lassen.

Die Weltmeiste­rschaft in Méribel/Courchevel steht vor der Tür. Was trauen Sie Ihren Kumpels zu?

Gerade dem Vinc (Kriechmayr, Anm.) traue ich sehr viel zu, auch wenn er mit Odermatt und Kilde zwei übermächti­ge Gegner hat. Speziell im Super-G hat er noch Arbeit vor sich.

Inwiefern?

Der Vinc weiß ganz genau, was zu tun ist. Und damit meine ich sein Risikomana­gement.

Ihr Kärntner Landsmann Marco Schwarz hat mit Platz sechs in der Wengen-Abfahrt aufgezeigt.

Da habe ich leider schon ausgeschal­tet gehabt (lacht). Aber mit Marco ist bei der WM sicher in vielen Diszipline­n zu rechnen. Was mir aber am meisten getaugt hat, dass die Jungen zuletzt in Cortina doch das eine oder andere Ausrufezei­chen gesetzt haben.

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GEPA Matthias Mayer mit Gattin Claudia und seinen OlympiaMed­aillen
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