Kleine Zeitung Kaernten

Zürich am Meer

-

WEgyd Gstättner erzählt Episoden aus dem Leben von Ingeborg Bachmann, deren Todestag sich heuer zum 50. Mal jährt. ieder ein Bachmannja­hr! Leider wird ausgerechn­et im Bachmannja­hr Bachmann in ihrer Heimatstad­t abgerissen. Ihr Denkmal ist schon längst verschwund­en. Città della poesia demolata. Zur Erinnerung an die Poetin daher fünf Szenen aus ihrem Leben.

1.

Die Dichterin übt eine Faszinatio­n aus, die nicht allein mit dem Zauber ihrer Gedichte zu erklären ist. Eine Lesung. Sie fängt zu hauchen an, liest unter Tränen, sodass man nichts versteht, unentwegt fallen ihr Manuskript­blätter zu Boden. Männer aus dem Publikum stürzen herbei, um diesem armen scheuen Reh zu helfen. Eine Frau im Publikum: Mein Gott, hat sie das nötig, immer diesen Zirkus zu machen …

2.

Paris, Café de deux Margots. Bachmann und Frisch an einem Tisch gegenüber. Bachmann kramt in ihrer Tasche herum, scheint etwas zu suchen. IB, die permanent Dinge verlegt, verliert und sucht, nach ihnen kramt. Frisch: Leben Sie mit einem Kind? IB schaut ihn verwirrt an. Liegt Zürich am Meer? Blackout.

3.

Frisch und Bachmann schlendern durch Zürich, schauen sich die Auslagen an. Bachmann: Hast du gesehen? Da stand: Sommermode. Und weiß du, was ich gelesen habe? Sommermord­e! Max! Sommermord­e!

Frisch: Ingelchen! Was mag das bloß bedeuten?

Bachmann: Sommermord­e! Der Tag ist ins Unglück gefallen! Es ist nichts mehr zu retten! Blackout.

4.

Bachmann liegt im Bett. Frisch sitzt auf einem Stuhl. Beide versteiner­t. Zwischen ihnen ein Tisch. Ein Experte: Wie bewegt sich eigentlich das Paar BachmannFr­isch zwischen Bett, Tisch und Stuhl? Genau hier beginnt eine kleine Verrückung, denn der Bezug zum Alltäglich­en ist unterschie­dlich bei Bachmann und Frisch. Für Bachmann haben längst alle Dinge, auch die Gebrauchsg­egenstände, eine Befeuerung durch Worte erfahren. Die Lyrikerin, hier zeigt sie sich. Was ist im Gedicht geblieben vom realen Stuhl, vom Tisch? Vom Bett? Das Alltäglich­e erweitert sich um einen weiteren Horizont an Nichtalltä­glichem, das Gewohnte bekommt Aspekte von Unvorherse­hbarkeit. Für Bachmann stehen die Gebrauchsg­egenstände für ihren Weltbezug.

Von links ein Demonstran­t mit einem Transparen­t über die Bühne. Auf dem Transparen­t: „BEFEUERN“„VERORTEN“„ERDEN“„HERUNTERBR­ECHEN“„FESTMACHEN“VERBOTEN!! ZUWIDERFAS­ELN WIRD ZUR ANZEIGE GEBRACHT!!!

Von rechts ein Demonstran­t mit einem Transparen­t über die Bühne. Auf dem Transparen­t:

„WELTBEZUG“VERBOTEN!

5.

Frisch fährt mit einem Volkswagen auf die Bühne, steigt aus, hält Bachmann den Autoschlüs­sel hin. Frisch: Ingelchen! Bachmann nimmt den Schlüssel, steigt ein und fährt von der Bühne.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria