Rätselhafte Begegnung
Mysteriöse Romanze voller Wendungen und mit einem großartigen Finale. Der südkoreanische Meisterregisseur Park Chan-wook zeigt sich in Hochform.
Park Chan-wook ist einer der wenigen asiatischen Regisseure, dessen Name auch bei vielen Westlern bekannt ist. Ab der Jahrtausendwende war er eine der maßgeblichen Figuren der neuen südkoreanischen Filmwelle, die zuletzt mit dem Oscar (Bester Film) für „The Parasite“seines Kollegen Bong Joon-ho ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Mit dem in Cannes präsentierten „Decision to Leave“schlägt der 59-Jährige nun eine neue Richtung ein. Der ausnahmsweise recht passende deutsche Titel „Die Frau im Nebel“macht deutlich, wohin die Reise geht. In bester Film-NoirManier, aber ohne den düsteren visuellen Stil, dreht sich die Geschichte um einen Kommissar und eine Femme Fatale.
Der scharfsinnige und in einer mehr oder weniger glücklichen Fernbeziehung lebende Kriminalpolizist Hae-Jun aus Busan leidet genretypisch an Schlaflosigkeit. In seinen waErotik-Thrillers chen Nächten beschattet er am liebsten Verdächtige. So auch die junge chinesische Witwe eines scheinbar verunglückten Kletterers, bei dem Hae-Juns Mordinstinkt anschlägt.
Sie ist die titelgebende, mysteriöse Frau im Nebel namens Seo-Rae, die den feschen Kommissar in ihren Bann zieht. Das verführerische Katz-undMaus-Spiel findet ungefähr zur Hälfte des Films seinen ersten Höhepunkt, um von dort noch einmal zu einem unerwartet spannenden zweiten Akt anzusetzen. Passend als „Mystery Romance“angepriesen, ist „Die Frau im Nebel“nicht so sehr ein gefährlich-spannender HitchcockThriller à la „Der unsichtbare Dritte“, versetzt uns aber dennoch in einen Schwindel, der ebenso emotional wie mörderisch ist.
Damit lässt Park Chan-wook den Topos von brutaler Gewalt hinter sich, für den er seit „Oldboy“bekannt ist. Auch die explizite Sexualität seines letzten Films, des brillanten Dreieck„Die Taschendiebin“, kommt im aktuellen Verführungs-Doppel wider Erwarten nicht mehr vor.
„Die Frau im Nebel“ist kein Film, der es einem leicht macht. Ohne Untertitel erfordert er einiges an Aufmerksamkeit, um den raffinierten Kurven der Geschichte über die 139 Filmminuten folgen zu können. Doch Park Chan-wook belohnt nicht nur mit großartigen Wendungen und einem argen Finale, sondern auch mit sanftem Humor und interessanten Figuren. Stilistisch überzeugt er durch gewohnt großartige Kameraund Schnitt-Einfälle und präzise Regie. Etwas kompakter könnte der Film sein, diebischen Spaß macht Park Chanwooks rätselhaft-romantische Begegnung mit dem Tod aber auf alle Fälle.