Kleine Zeitung Kaernten

Guter Wille allein reicht nicht

Die Ukraine drängt auf einen raschen EU-Beitritt, doch die nötigen Voraussetz­ungen sind noch lange nicht erfüllt. Zu einer schrittwei­sen Annäherung kommt es trotzdem.

- Andreas Lieb andreas.lieb@kleinezeit­ung.at

Diesmal gehörte die Show wieder Ursula von der Leyen. Im ständigen Wettlauf mit Ratspräsid­ent Charles Michel um die beste Position in der Weltöffent­lichkeit hatte die Kommission­spräsident­in nicht nur bereits am Tag vor dem Ukraine-Gipfel wichtige Vereinbaru­ngen vorweggeno­mmen, sie war auch demonstrat­iv mit einer ganzen Heerschar an Kollegiums­mitglieder­n ins Kriegsgebi­et gereist. „Die Macht der Bilder“schrieben wir gestern und das war wohl ein zentrales Element des Gipfels – eine leuchtende Demonstrat­ion der Einigkeit und gemeinsame­n Stärke, ein Manifest der Furchtlosi­gkeit. Prompt gab es Luftalarm, als die Besprechun­gen gerade beginnen sollten. Darüber hinaus ging es aber auch um Handfester­es; um Hilfe für die Ukraine auf allen Ebenen. Und um den angestrebt­en EU-Beitritt.

Das Land befindet sich im Krieg, die ukrainisch­e Führung fackelt nicht lange, wenn es um markante Aussagen geht. Die Beitrittsv­erhandlung­en könnten noch heuer beginnen, ein EUBeitritt sei in zwei Jahren möglich, hieß es Anfang der Woche.

Das wird nicht klappen. Zunächst einmal muss die Kommission den Grad der Beitrittsr­eife bewerten. Dazu soll es mehrere Etappen geben, eine noch im April, eine im Herbst. Der offensive Druck, mit dem in der Ukraine allein in den letzten Tagen in Korruption­sfällen aufgeräumt wird, ist ein Signal an Europa, auf dem richtigen Weg zu sein. Allerdings reichen Signale allein noch nicht aus, um für einen Beitritt bereit zu sein. Allein schon der Umstand, dass das Kriegsende noch bei Weitem nicht in Sicht ist und somit nicht einmal feststeht, über welches Territoriu­m die Ukraine souverän verfügen kann, rückt einen tatsächlic­hen Beitritt in weite Ferne. Nach wie vor ist auch der Status der Länder des Westbalkan­s, die schon seit Jahren in Warteschle­ifen verharren, damit verknüpft.

Allerdings hat der Gipfel gezeigt, dass die Annäherung zwischen den EU-Ländern und der Ukraine unablässig voranschre­itet. Das Land wird zu einem immer stärker assoziiert­en Drittland. Das betrifft unter anderem erleichter­te Ein- und Ausfuhr von Industrieg­ütern, die Verlängeru­ng der Zollfreihe­it für Exporte um ein weiteres Jahr, die Verlinkung des Bankensyst­ems, die Verschränk­ung der Energiever­sorgung, die Nutzung von Bildungspr­ogrammen, das Roamingabk­ommen und vieles mehr. Das Land wird, obwohl es sich im Abwehrkamp­f gegen die Russen befindet, Schritt für Schritt an EUStandard­s angepasst. as Land sei bereit, es herrsche große Einigkeit darüber, dass der Weg in die EU der richtige sei, sagt dazu Ministerpr­äsident Denys Schmyhal. Alle nötigen Entscheidu­ngen seien deshalb rasch möglich.

Das mag genauso sein. Den Zeithorizo­nt für einen möglichen Beitritt aber so einzuengen, dass selbst die eigens angereiste­n EU-Spitzen um diplomatis­ch verträglic­he Relativier­ungen ringen müssen, erweist dem eigenen Volk einen Bärendiens­t.

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